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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sich auskannte. » Ein subalterner Sekretär der Esterházys mit Namen Rosenbaum soll den Totengräber bestochen haben, ein paar Tage nach dem Begräbnis auf dem Wiener Hundsturmer Friedhof das Grab zu öffnen und sein Haupt vom Körper zu trennen. Er war ein fanatischer Anhänger der › Gallschen Schädellehre‹, wonach das Genie im Schädel eines Menschen auch noch nach seinem Tod nachweisbar wäre.«
    Karl zündete eine Kerze an und drückte sie auf den Eisensporn des Kandelabers an der Kopfseite des Sarkophags. » Was für eine furchtbare Geschichte.«
    So ging der schöne Sommer zweiundzwanzig ins Land. Rathenau wurde ermordet, Mussolini rüstete zum Marsch auf Rom, und Churchill erklärte, daß in Palästina Juden und Moslems gleichberechtigt nebeneinander leben sollten. Im Burgenland wurden die ersten Wahlen für den neuen Landtag abgehalten, und im Reich bereitete die beginnende Hyperinflation den Wahnsinn vor, der binnen weniger Jahre ins Tausendjährige Reich und in den Untergang führen sollte. Sie hingegen versetzten für ein paar läppische Millionen einige teure Erstausgaben aus der Handbibliothek des Hofrats beim Eisenstädter Antiquar Schwertfeger und legten das immer wertloser werdende Papiergeld sofort beim Zuckerbäcker Ferency in Eiscreme und Dobostorte an, bevor es dafür nichts mehr zu kaufen gab.
    An einem jener heißen Sommertage, als die Sonne im Zenit stand und über dem See ein Dunstschleier waberte, fuhren sie mit ihren Rädern zu einem einsam gelegenen Waldsee im Leithagebirge, lagerten auf einer Lichtung im Schatten der Tannen, die das südlich Ufer des kaum teichgroßen, aber um so tieferen Gewässers säumten, an dessen Rand eine überhängende Felswand aus rotem Sedimentgestein aufragte, in die, von Wind und Regen ausgewaschen, dunklere, ockerbraune Schichten eingelagert waren. Sie schwammen in dem kühlen Wasser, das aus einer Spalte tief unter ihnen entsprang, und ließen sich von der Sonne trocknen. Mit einem Mal sprang Karl auf, durchschwamm den See, kletterte am anderen Ufer auf den hohen Fels und streckte die Arme aus.
    » Schau nur, Fränzchen, wie ich fliegen kann!«
    Erst daraufhin blickte er hinunter in den See wie in einen schwarzen Spiegel, in dessen Zentrum er sich stehen sah, bereit zum Absprung. In seinem Übermut hatte er die Höhe des Felsvorsprungs unterschätzt und ließ die Arme wieder sinken. Er bekam es mit der Angst zu tun, aber da hatte sich Franziska schon auf den Rücken gedreht. » Komm wieder runter, Karel, das ist viel zu hoch für dich!«
    Wie gern wäre er den Felshang hinabgeklettert, doch der spöttische Klang ihrer Stimme hatte ihm jeden Rückzug verbaut. Regungslos stand er da und wußte, da mußte er jetzt durch. Das Wasser rieselte an seinem Schlüsselbein hinunter und perlte auf seiner Haut. Er ließ die Muskeln spielen beim Ausschütteln der Arme und Beine und zog die Luft tief ein. Sein Brustkorb wölbte sich, und seine Flanken wurden flach.
    » Wetten, daß ich springe!«
    » Dann warte einen Augenblick.« Sie richtete ihre kleine Leica auf ihn. » Bin gespannt, wie du da heil wieder runterkommst.«
    Das Angstgefühl ließ nach wie Lampenfieber, wenn er die Töne erst einmal angeschlagen hatte, und eine große Ruhe überkam ihn. Er genoß es jetzt sogar, den Absprung noch ein wenig hinauszuzögern, und stand am Rand der Felsenklippe, wie ein Dirigent auf seinem Podium, auf den alle Augen gerichtet sind.
    » Du kannst, ich bin soweit!« Das Echo ihrer Stimme wurde von der Felswand zurückgeworfen und verhallte über dem Gewässer. Kein Laut störte die Stille, außer das Fallen eines Tannenzapfens und der kurze Schrei eines Vogels, Geräusche, die ihm vorkamen wie ein letztes unterdrücktes Hüsteln im Publikum vor dem Moment, in dem im Saal totale Stille eintritt. Alles lag in seiner Hand. Er hielt den Kopf gesenkt und nickte, als wollte er sich noch einmal seiner selbst vergewissern. Dann streckte er die Hände vor und breitete beide Arme langsam aus, als wüchse ihm ein Flügelpaar.
    Er nahm Anlauf, machte zwei, drei kräftige Schritte auf den Rand der Felsenklippe zu. Es folgte ein knapper Niederschlag mit beiden Armen, er stieß sich ab und flog über den Felsabsturz, klappte auf dem Kulminationspunkt seiner kurzen Flugbahn nach vorn und stürzte mit gestreckten Armen und geballten Fäusten senkrecht in sein eigenes Spiegelbild.
    Der Aufprall war so stark, daß er benommen immer tiefer sank und erst der Druck in seinen Ohren ihn zu

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