Augenblick der Ewigkeit - Roman
schlug im Wind. Im Inneren spritzte das Wasser gegen die Holzbohlen des kleinen Hafenbeckens, und die flachen Kähne, die man am Morgen bei der Entenjagd benutzt hatte, tanzten in den Wellen und zerrten an den Tauen.
Sie rissen sich die nassen Kleider vom Leib, wickelten sich in Badetücher, die neben den Umkleidekabinen gestapelt waren, und rubbelten sich unter kindischem Gelächter gegenseitig trocken, als draußen der Sturm in die Krone der Kastanie fuhr. Blätter rauschten, Äste brachen und fielen krachend aufs Dach. Franziska flüchtete sich in Karls Arme. Das entfesselte Unwetter war jetzt direkt über ihnen. Er tauchte sein Gesicht in ihr nasses Haar und streichelte ihr über den Rücken.
» Wir müssen warten, bis sich der Sturm gelegt hat. Es wäre viel zu gefährlich, unter den Bäumen ins Haus hinaufzulaufen.«
Sie schoben die Fischerkörbe und Kescher zur Seite, setzten sich in ihren Badetüchern auf die Ruderbank eines Nachens und verfolgten aneinandergeschmiegt im Schutz des Bootshauses das Gewitter über dem See. Erst allmählich wurde ihnen bewußt, was mit ihnen geschehen war, und verwirrt rückten sie ein wenig voneinander ab. Er schwieg, und auch Franziska schwieg. Sie blickten sich nicht an, sondern starrten auf die zerwühlte Wasserfläche, die weit und breit mit Gischt bedeckt war. Im tosenden Sturm herrschte zwischen ihnen eine sonderbar beklommene Stille, als müßten sie sich dafür schämen, sich geküßt zu haben.
Die warme Luft im Bootshaus staute sich unter dem Schindeldach, und es roch nach trockenem, von der Sonne ausgedörrtem Holz. Ihre Hände lagen auf der Holzbank nebeneinander, während unter Blitzen und Donner der Regen draußen niederging. Karl hatte das Gefühl, daß alles Geschehen um ihn herum wie in einen feuchten Schleier gehüllt war. Als er Franziska von der Seite anschaute, sah er, daß ihre Augen blank von Tränen waren und ihre Oberlippe zitterte. Er tastete sich behutsam vor, bis er ihre Hand berühren konnte. » Was denkst du?«
Sie nahm seine Hand und drückte sie. »…was soll ich denken, Karel. An das, was gerade eben geschehen ist.«
» Hab ich dich…«
Sie legte ihre Hand auf seinen Mund und schüttelte den Kopf. » …nein, hast du nicht!«
» Ich habe dich lieb wie niemanden, an den ich denken kann.«
Sie fuhr ihm mit der Fingerspitze über die Augenbrauen. «…und ich dich auch, mein Karel! Schon als ich dich am Klavier spielen sah, war ich mit dir in einen Raum gesperrt, aus dem es kein Entrinnen gab.«
Da sprang er von der Ruderbank auf, daß der Kahn heftig schaukelte, schleuderte die Arme sinnlos in die Luft und wußte nicht so recht, wohin im Überschwang der Gefühle. Ein Blitz fuhr in die Krone der Kastanie, gefolgt von einem so mächtigen Donnerschlag, daß das Bootshaus in seinen Fundamenten erzitterte und Karl vor Schreck fast ins Wasser gefallen wäre. Im selben Moment schlugen die Gaubenfenster im Walmdach auf. Scheiben zersplitterten, abgerissene Äste und Blätter flogen herein, als würden sie in ein Vakuum gesaugt, und im Nu war das Bootshaus voll von Vögeln, die auf der Kastanie vor dem Unwetter Unterschlupf gesucht hatten. Aufgescheucht flogen sie in die zum Trocknen ausgespannten Wurfnetze, fingen sich in den Reusen, gingen nieder auf den hochgehievten Booten, flatterten schreckhaft in den Dachsparren herum, hüpften auf dem Boden aufgeregt hin und her– kurz-lang, lang-kurz–, als wollten sie wie mit Morsezeichen von der Katastrophe berichten, die über sie hereingebrochen war. Allmählich beruhigten sie sich, zwitscherten und piepsten noch ein wenig, plusterten dann ihr Gefieder auf und schauten schließlich mit schräg gelegten Köpfen das verliebte Pärchen an.
Beim ersten Krachen hatten Karl und Franziska sich unter ihren Badetüchern verkrochen, obwohl ihnen bewußt war, daß die kaum Schutz gegen die hereinfliegenden Gegenstände bieten würden. Erst nach ein paar langen Schrecksekunden lugten sie verwundert darunter hervor. Sie waren über und über mit grünem Laub bedeckt und fingen an zu lachen. Er nahm ihre Hände und küßte sie. » Sag’s doch noch einmal, Fränzchen, bitte!«
» Ich lieb dich auch, mein Karel.« Ihr leuchtendes Gesicht mit den offenen Lippen, hinter denen ihre weißen Schneidezähne glänzten, kam ihm vor wie ein Spiegel, der ihm ganz nahe vors Gesicht gehalten wurde, und er stammelte. » Dann bin ich so glücklich wie noch nie im Leben.«
Am nächsten Morgen, gleich nach der Beizjagd,
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