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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Sie…«
    Mit einem elektronischen Knistern tauchte Krausniks teigiges Gesicht wie aus dem Nichts auf den neun Monitoren auf, und auf einen weiteren Knopfdruck hin wurden die Einzelbilder auf der Monitorenwand zu einer Großaufnahme zusammengefügt.
    » Wie kommen Sie voran?«
    Die Kamera war unerbittlich. Verlegen grinste der Impresario mit entblößtem Zahnfleisch ins Objektiv, und seine gelben Zähne leuchteten, als hätte er sie mit phosphoreszierender Zahnpasta geputzt.
    » Bestens, Maestro. Die Avery Fisher Hall ist total ausverkauft. Jeder in New York will bei diesem Megaspektakel dabei sein.« Seine züngelnde Zunge hielt unablässig die schmalen Lippen feucht. » Hier in den Staaten hat kaum einer mehr Verständnis für die Skrupel der europäischen Kollegen gegenüber unserem Projekt. Andererseits hört man aber auch, Wetten würden darauf abgeschlossen, daß das Konzert in einem Fiasko enden könnte.«
    Bei dem Wort » Fiasko« sprühte er einen feinen Speichelregen ins Scheinwerferlicht, das sich in seinen Brillengläsern spiegelte.
    » Dann halten Sie eben dagegen, Harry! Das treibt die Quoten hoch. Was weiter?«
    » Es geht um eine Art Boykottaufruf.«
    » Haben wir das in den fünfziger Jahren nicht schon einmal erlebt?«
    » Eine neue Irritation ist entstanden. Wenn Sie mich fragen, unbedeutend, nebensächlich, belanglos.« Krausnik machte eine Pause, drückte das Kinn auf seine Brust und schnappte wie ein Fisch nach Luft. » Im Zuge der Waldheim-Affäre soll in der Library of Congress unbekanntes Belastungsmaterial aufgetaucht sein– › classified material‹. Die New York Times bringt aus Anlaß Ihres Achtzigsten in ihrer heutigen Ausgabe dazu einen ausführlichen Artikel.«
    » Warum ausgerechnet jetzt? Sieht wie eine gezielte Kampagne aus.«
    » Ist es auch. Ich habe mit einem der fixen Jungs von der Redaktion gesprochen. Er meinte, › influential circles try to lobby Maestro Herzog onto the Watchlist‹. Nach seinen Auskünften sollen Sie für Himmlers SD gearbeitet haben. Das habe selbst ich nicht mal gewußt. Ist da was dran?«
    » Keine Ahnung. Sie wissen doch selbst, wie das damals war, bei Auslandstourneen und so. Immer wieder mußte man irgend so einen Wisch unterschreiben. Ich habe niemanden denunziert und mir deshalb auch nichts vorzuwerfen!«
    » Kann uns ja auch egal sein, wenn man Sie wie damals den österreichischen Bundespräsidenten auf diese ominöse › Watchlist‹ setzen sollte. Wir müssen vor dem Lincoln Center vielleicht mit ein paar Demonstranten rechnen, aber die Einreise in die USA via Satellit kann die Einwanderungsbehörde auf keinen Fall verhindern.«

New York, Massachusetts – Donnerstagmorgen, 11 a.m.
    Das Fiorello zwischen 63 rd und 64 th Street, vis-à-vis vom Lincoln Center, war eines jener New Yorker Speiserestaurants, das von den Opern- und Konzertbesuchern erst nach den Vorstellungen frequentiert wurde, in dem man aber auch zum Lunch kaum einen Platz bekam. Man saß auf roten Lederbänken unter Wandgemälden, auf denen puppenhafte Köpfe mit aufgerissenen Augen und Mündern nach Essensbrocken schnappten, oder an einer silberbeschlagenen Bar vor einem Arrangement italienischer Vorspeisen aus Scampi, Muscheln, Frutti di Mare und Langusten, die hinter einer angelaufenen Glasscheibe auf einem riesigen Eisbett lagen.
    Joachim wartete auf Franziska, die rasch noch ihre Konzertkarte für die Samstagsmatinee abholen wollte, bevor sie aufbrachen, die Gottwalt-Zwillinge in Tanglewood zu besuchen. Franziska hatte darauf bestanden, daß er sich mit den Töchtern des verstorbenen Leiters des Boston Symphony Orchestra, Johann Albrecht Gottwalt, traf, dessen erster Kapellmeister sein Vater Anfang der dreißiger Jahre an der Staatsoper Dresden gewesen war. Die Fahrt würde drei Stunden dauern. Sie hatten sich zum Lunch verabredet und noch zwei freie Plätze an der Bar ergattert, von wo aus man auf den Broadway und über den kleinen Dante-Park hinüber zum Lincoln Center blicken konnte.
    Dekorateure hatten dort über Nacht ein haushohes Transparentporträt des Maestro entrollt, das fast die gesamte Fassade der Avery Fisher Hall verhüllte, auf dem Herzog mit blicklosen Augen das Innerste der Musik zu schauen schien, den Taktstock plastisch ausgeleuchtet in den Händen. Joachim ließ die Zeitung sinken und blickte hinaus.
    Ein weißer Kleinbus mit der Aufschrift » Mitzvah tanks Crown Heights, Brooklyn« kam von der Upper West Side den Broadway herunter und bog in die West

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