Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Spieldosenmusik erklang.
    Bleich und angegriffen stand Herzog in der Tür, nicht wie einer, der auf ein Rendezvous mit einer hübschen Lady ausgewesen war. Seine Mundwinkel waren nach unten gezogen, und die beiden Stränge seiner Kehle hingen über den Rand seines Rollkragenpullovers wie bei einem alten Gockel, der schon lange seinen letzten Hahnenkampf verloren hat.
    » Mein Gott, wie siehst du denn aus?«
    » Du kannst sie ruhig zu Ende lesen.« Daß sie bei erstbester Gelegenheit die Briefe lesen würde, war ihm klar gewesen, als sie ihn am Morgen danach gefragt hatte. Er ignorierte ihre Neugier, denn spätestens als seine Witwe hätte sie die Briefe sowieso gelesen. Nur dann wäre keiner mehr da, der ihr den Rest der Geschichte erzählen könnte.
    » Cosmo sagte mir, du kämst am Nachmittag, und jetzt ist es erst zwei. Hast du das junge Ding versetzt?«
    » Wie kommst du denn auf die Idee?«
    » Weil Mademoiselle Dunn sich telefonisch mehrmals nach dir erkundigt hat.«
    » Ach so? Wir scheinen uns verpaßt zu haben.«
    Er, der von einem halben Dutzend Assistenten und Bodyguards umschwirrt wurde, die die Meute der Paparazzi und Klatschjournalisten in Schach hielten, dessen Termine auf die Sekunde genau geplant waren, der kaum einen Schritt machen konnte, ohne von irgendeinem Verehrer angesprochen und um ein Autogramm gebeten zu werden, er hatte auf der Bank gehockt und an den toten Freund gedacht. Als dann der Simca mit der Fotografin auf den Bocciaplatz in Èze einbog, hatte er die Flucht ergriffen.
    » Du warst doch mit Mademoiselle Dunn zum Lunch verabredet, oder?«
    Er winkte ab. Er hatte vor dem Alter kapituliert, mit seinen verlogenen Illusionen, es könne nochmals sein wie früher. Er war klug genug gewesen, im Schützengraben hockengeblieben zu sein. Das Mädchen war ein Hirngespinst, wie in gewissen Altmännerromanen mit ihren Jungmädchenaffären, eine Verirrung der Biologie, die in seinem Universum keinen Platz mehr haben durfte. Er würde in ein paar Tagen achtzig Jahre alt werden und wollte sich nicht zum Gespött der Leute machen. » Ich bin nur müde.«
    » Dann leg dich hin. Cosmo hat das Lufttaxi für sechzehn Uhr bestellt.«
    Er blickte hinunter aufs Meer, das der Nachmittagssonne als gigantischer Reflektor diente. Der Pilot hatte die Geschwindigkeit für den Übergangsauftrieb erreicht, in der das Flugverhalten des Helikopters dem eines Motorflugzeugs glich. Auf der Steuerbordseite des Lufttaxis, wo Maria saß, jagte ein Rudel hochgerüsteter Motorboote aus dem Hafen von Monaco und zog eine Schleppe von Gischtwellen hinter sich her.
    » …und wann hast du Franziska wiedergesehen?«
    Er war es müde nachzurechnen und dachte an ein Gedicht von Brendan Behan. » Wohin entschwand die Fülle meiner Jahre, war mein Leben nur ein Traum? Die Tage, deren ich gedenke, entglitten wie ein Schlag ins Meer.« Verlorene Zeit, gestundete Zeit? Manche Physiker bezweifelten, daß Zeit überhaupt existierte, daß sie ihr scheinbares Vorhandensein der menschlichen Psyche verdanke, einem trügerischen Zusammenspiel von Neuronen und Kultur. Das Lufttaxi zum Beispiel brauchte nur wenige Minuten, um sie von Monte Carlo in die Victorine Studios nach Nizza zu bringen, wofür sie bei der gegenwärtigen Rushhour mit dem Wagen Stunden gebraucht hätten. Gewonnene Zeit? Wie unerheblich. Er wußte nur, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb.
    » Sag schon, wann?«
    » Nach ihrem Abitur. In Brünn, als am dortigen Opernhaus › Die Sache Makropulos‹ von Leo š Jan á ˇ cek uraufgeführt wurde. Da arbeitete ich schon als Korrepetitor und als Assistent von Franti s ˇ ek Neumann und durfte meine ersten Operetten dirigieren.«
    In der Höhe von Cap Ferrat schwenkte der Hubschrauber in nördliche Richtung, um der Einflugschneise des Aéroport du Nice auszuweichen, folgte der Autoroute A8, die nach einigen Kilometern einen scharfen Knick nach Süden machte und sie am östlichen Ufer des Var zurück zur Küste brachte.
    Über den Filmateliers, in denen noch vor nicht allzulanger Zeit ein wildes Kinoleben geherrscht hatte und eine quirlige Bande von Filmemachern, Schauspielern und Komparsen beschäftigt worden war, lag jetzt der Mehltau des Fernsehalltags. Die Filmkulissen, in denen Truffaut seine Amerikanische Nacht gedreht hatte, waren ebenso verfallen wie der Platz mit der Metrostation, wo Jean-Pierre Léaud in jenem Film Jean-Pierre Aumont erschossen hatte.
    Das Lufttaxi setzte hinter den haushohen Satellitenschüsseln auf einem

Weitere Kostenlose Bücher