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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nicht selber ausprobiert hätte. Meine liebsten Feinde Bernstein und Karajan haben es gemacht, auch Solti. Der dicke Levine hat so geschwitzt, daß er sich nur mit einem Badehandtuch über der Schulter filmen lassen konnte. Seitdem die Bilder laufen lernten, konnte keiner der Versuchung widerstehen. Weder Toscanini noch Furtwängler, Klemperer, Kleiber oder Bruno Walter. Und auch nicht der aufgeblasene Celibidache. Alle ließen sich filmen, und kein Schwein hat sich darüber aufgeregt! Sich auf einer Leinwand zu bewundern ist eben viel interessanter, als in den Spiegel zu schauen!«
    » … › jetzt will der Maestro, wie er auf seiner letzten Pressekonferenz verlauten ließ, die großen Orchester dieser Welt wie Gottvater aus dem All auf einer Leinwand beglücken. Vom Himmel hoch…‹und so weiter und so fort, soll ich weiter?«
    » Danke, das genügt. Das zeigt nur, daß diese sogenannten Experten keine Ahnung haben. Sehen Sie, meine Herrn. Als ich am Prager Konservatorium studierte und wie Schostakowitsch seinerzeit im Leningrader Aurora meinen knappen Wechsel damit aufbesserte, Stummfilme am Klavier oder mit einem Salonorchester zu begleiten, wurde eines Tages zusammen mit der Kopie des französischen Monumentalfilms › La roue‹, einem mehrstündigen Eisenbahnerdrama von Abel Gance, eine extra dafür komponierte Filmmusik von Arthur Honegger geliefert, inklusive des kompletten Notenmaterials für das gesamte Orchester. Sie kennen alle › Pacific 231‹, jenes › Mouvement symphonique no. 1‹, das Arthur Honegger später aus dieser sehr viel umfangreicheren Filmmusik für den Konzertsaal extrahiert hat. Das Revolutionäre an der Sache war, weshalb ich Ihnen die Geschichte in diesem Zusammenhang überhaupt erzähle, daß die französische Pathé von den Theaterbesitzern und ihren Orchestern verlangte, auf eigene Kapellmeister zu verzichten! Denn um die Synchronisation von Bild und Musik den Vorstellungen des Komponisten und des Regisseurs entsprechend zu gewährleisten, hatte der Verleih im untersten Bildteil der Filmkopie, dort, wo heute Untertitel laufen, einen hüftgroßen Dirigenten einkopiert, der von der Leinwand aus das jeweilige Filmorchester leiten sollte. Er war als Schattenriß gut auszumachen. Man hatte ihn vor einem neutralen Hintergrund mit einer separaten Kamera aufgenommen, ähnlich, wie wir das auch hier bei uns machen. Wir Musiker brauchten also nur zur Leinwand zu schauen, er schwebte direkt über uns wie ein Rabe, der mit beiden Armen auf- und niederschlug. Die Illusion war perfekt, denn vom Zuschauerraum aus war seine Silhouette kaum zu sehen. Die Vorstellungen wurden zu einer Sensation! Die Prager Zeitungen schickten sogenannte › Filmmusikkritiker‹, die mit ernster Miene begutachteten, wie es gelingen konnte, die Pathetik eines Zuges von dreihundert Tonnen musikalisch zu vermitteln, der mit hundertzwanzig Kilometern pro Stunde durch die finstere Nacht donnert. Arthur Honeggers Musik konnte es. Wichtig war nur, daß sie synchron zur Lokomotive lief. Wir waren Abend für Abend ausverkauft. Für das Publikum in der damaligen Zeit war es etwas völlig Unvorstellbares, daß ein Schattenwesen auf der Leinwand einen Dirigenten aus Fleisch und Blut ersetzen konnte…«
    » …wie es für ein heutiges Publikum unvorstellbar ist, man könne aus dem Weltraum ein ganzes Symphonieorchester von einem Monitor aus dirigieren!« Maria drehte ihre Augen zum Plafond und klimperte mit den Wimpern. » Vom Himmel hoch…«
    » Aber genau das wollte ich damit sagen. Man kann es! Nur daß unsere technischen Möglichkeiten heutzutage unvergleichlich größer sind als damals. Was beweist, es war alles schon einmal da. Und wie gut es funktioniert hat. Jeder wollte das Eisenbahnerdrama nur in Zusammenhang mit jenem Schattendirigenten sehen. Unter seiner › Leitung‹ gelang es uns, die Magie der stummen Filmbilder bis zum Äußersten zu steigern und damit eine emotionale Brücke zwischen der Schattenwelt auf der Leinwand und den lebendigen Menschen im Kinosaal zu schlagen– bis eines Tages der Tonfilm kam. Aber da war ich schon längst nicht mehr in Prag…«
    Herzog unterbrach sich, legte den Kopf zurück und massierte seinen Nasenrücken. » … › wie Gottvater aus dem All‹, so ein Blödsinn! Vielleicht sollten wir ihnen einen Leserbrief schreiben. Dann haben sie was, woran sie kauen können. Erinnern Sie mich daran, Cosmo.«
    » Ich höre gerade, drüben sind sie soweit, Maestro. Mr. Krausnik für

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