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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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wurde. Andererseits hatte sich für mich das ganze Leben geändert. Zuvor war es keine Frage gewesen, dass ich eines Tages in einem Kloster das Gelübde ablegen und Mönch sein würde. Jetzt wusste ich nicht mehr, was richtig war und was falsch.
    Es war mir unmöglich, zu Berthold von Reisensburg zurückzukehren; aber auch Mönch sein konnte ich nicht mehr.
    Doch ich kann lesen und schreiben, sogar etwas rechnen, und finde überall mein Brot.
    Und das Mädchen? Sie ging mir nicht aus dem Sinn - viele Jahre lang dachte ich fast jeden Tag an sie. Immer wieder glaubte ich sie gefunden zu haben. Aber sie war es nie -
    Aber ich sehe andere Mädchen, und ich achte auf die Mütter, die ihre Kinder auf dem Arm, auf dem Rücken oder an der Brust tragen. Und ich weiß jetzt, dass es falsch ist zu sagen, es sei das höchste Gut, wenn Frau und Mann sich nicht zusammenfügen.
    Nicht der Tod - das Leben ist wichtig! Ich weiß es jetzt: Nicht nur, weil ich damals so große Angst gehabt habe um das Leben des Mädchens, sondern auch um meines -
    Manchmal, aber nur in sehr seltenen, sehr kostbaren Augenblicken steht mir ihr Bild vor Augen. Aber meist verblasst es schnell, wenn ich es festhalten will, und weicht anderen Bildern. Ich habe sie ja nur ganz kurz gesehen. Und doch war sie meine wichtigste Lehrerin geworden. Und ich hoffe, dass ich wieder einmal eine Frau finden werde, bei der ich erneut dieses unsagbar süße Glück spüren kann.
    Nie werde ich den Namen des Mädchens erfahren. Aber ich weiß, dass Gott ihn weiß und meinen -

DER BANN
    Otto der Große hatte die Ungarn besiegt; mit der Schlacht auf dem Lechfeld gewann er die Kaiserkrone, aber seine Macht blieb angefochten. Und angefochten blieb auch die Macht der künftigen Könige und Kaiser im Reich.
    Die Fürsten - die mächtigsten unter ihnen waren die Herzöge der verschiedenen Stämme und die seinerzeit von Karl dem Großen eingesetzten, längst erblich gewordenen Grafen - hatten kein Interesse an einem starken König. Auf sie alle konnte sich kein König und kein Kaiser verlassen. Die eingesessenen Familien als erbitterte Gegner der Zentralmacht schwächten das Königtum über Generationen hinweg.
    So suchten Otto und seine Nachfolger ihren Machterhalt in der Investitur (der Einsetzung) der Bischöfe: Diese hatten als Priester keine Erben. Nach dem Tod eines Bischofs, der ja wie ein Fürst regierte, konnte der König wieder einen ihm treu ergebenen Mann einsetzen und so seine Macht stabilisieren. Andererseits jedoch wurden die Bischöfe dadurch zu Machtpolitikern, sie betrieben eine Politik der Stärke, führten Kriege und nahmen meist ihr eigentliches kirchliches Amt der Aufsicht über die Priester nicht mehr wahr.
    Die Reform von Cluny im elften Jahrhundert wollte dies von Grund auf ändern - der Papst sollte die Bischöfe einsetzen, verlangte Papst Gregor VII., und zwar nach den Erfordernissen der Kirche und nicht nach denen der weltlichen Macht. König und späterer Kaiser in dieser Zeit war der Salier Heinrich IV. Früh vaterlos geworden und schon als Kind Spielball der Mächtigen, war er als Herrscher eifersüchtig auf seinen Machterhalt bedacht, und seine wichtigste Regierungsgrundlage war wie seit Otto dem Großen die Einsetzung der Bischöfe durch ihn selbst.
    Der Konflikt zwischen Kaiser und Papst, Investiturstreit genannt, war offenkundig, und er spitzte sich im Jahre 1076 dramatisch zu. König Heinrich IV. erklärte Papst Gregor VII. für abgesetzt. Anschließend setzte der Papst den König ab und sprach über ihn den Bann. Dies bedeutete den Aus-schluss des Königs von allen kirchlichen Sakramenten und die ewige Verdammnis in der Hölle, wenn er starb, bevor er sich vom Bann gelöst hatte. Dasselbe galt für jeden, der ihm, dem Gebannten, irgendeine Hilfe zukommen ließ.
    War dieser Konflikt lösbar?
    Bitterkalt geworden war es im Reiche König Heinrichs IV.
    Schon im November 1076 besetzten lange Eisnadeln die Ränder der Rheinarme bei Speyer und hoben sich weiß von den dunklen Wasserflächen ab, dann legte sich ein Eispanzer über die Gewässer.
    König Heinrich IV. war in diesem Herbst nach Speyer gekommen. Freiwillig oder als Gefangener des Papstes? Vielleicht als Gefangener der Fürsten? Würden die Herren alle von ihm abfallen?
    Nachdenklich ging der König, ein langer, knochiger Mann, hinüber zur großen Baustelle des neuen Doms mit den ersten mächtigen Tragsäulen.
    Mein Geburtstag!, dachte er - heute am elften November, dem Tag des heiligen

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