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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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ganzen Matutin an Dich.
    Bei Sonnenaufgang beten wir das Morgengebet, die Laudes. Laudes heißt Lobgesang. Wir loben Gott dafür, dass er die Sonne aufgehen lässt und dass er unseren Schlaf behütet hat, und bitten ihn um seinen Segen für den Tag. Ich stelle mir vor, wie Du beim ersten Hahnenschrei zum Brunnen gehst und noch gähnst. So wie Du in Augsburg immer gegähnt hast, wenn ich Dich manchmal schon frühmorgens gesehen habe im Hause Deines Onkels.
    Vor der Arbeit beten wir die Prim und bitten, dass Gott unsere Arbeit segnet.
    Du bist vielleicht schon auf der Jagd, wenn wir die Terz beten, das Gebet zwischen dem Morgen und dem Mittag. Bei der Terz danke ich Gott immer, dass er uns in Augsburg zusammengebracht hat - im Hause meines Vaters und im Hause Deines Onkels, wo Du lesen und schreiben gelernt hast.
    Wenn Du dann Dein Mittagsmahl einnimmst, beten wir das Mittagsgebet, das auch Sext heißt. Alle Gebete singen wir im Chorgestühl der Kirche. Manche der Nonnen sind schon sehr alt, und es klingt nicht immer schön - aber Gott hört die innere Stimme und nicht die, welche wir Menschen hören, sagt unsere Frau Äbtissin.
    Die Arbeit am Nachmittag wird dann zuerst durch die Non und dann durch die Vesper unterbrochen. Den Tag beschließt die Complet, das Abendgebet. Wir sollen uns bei allen Gebeten in Gott versenken.
    Ich aber denke meistens nur an Dich und danke Gott, dass er uns schon als Kinder zusammengeführt hat. Ich danke ihm, dass Du von Eurer Burg immer zu Deinem Onkel in Augsburg gebracht worden bist, um dort zu lernen. So haben wir uns schon als Kinder gekannt und gemocht und sind füreinander durchs Feuer gegangen.
    Der Herr beschütze Dich!
    Deine Katharina

    Reinald an Katharina,
    ich bin voller Dank für Deinen Brief.
    Ich laufe den ganzen Tag herum. Heute muss ich auf die Fronbauern aufpassen, die den neuen Graben aufwerfen. Sie schimpfen, dass du es kaum glaubst, und fluchen auf den Ritter - aber das ist Unsinn. Die Burg muss sicher sein, das ist ja auch für die Bauern wichtig. Nebenher üben wir viel für das nächste Turnier. Wir drei Knappen werden dabei dem Ritter die Waffen nachtragen und ihm auf das Pferd helfen, wenn er heruntergestochen wird. Aber das geschieht nicht - das kannst Du mir glauben. So gut möchte ich auch einmal reiten können wie mein Ritter, Herr Andreas von Gülten!
    Im Stechen aus vollem Ritt bin ich aber schon sehr gut, fast wie der Ritter selbst! So eine Lanze solltest du einmal in der Hand halten - ein unsagbares Gefühl!
    Wir Knappen üben uns jedoch nicht nur im Reiten und Kämpfen. Die Frau des Ritters bringt uns allerlei höfisches Benehmen bei - Benehmen wie am Hof des Kaisers! Zuerst haben wir alle gelacht: Du darfst deine Suppe zum Beispiel nicht einfach trinken, du musst sie Schluck für Schluck auslöffeln. Wirklich! Du musst dir die Hände vor dem Essen waschen und nach dem Essen wieder. Und du darfst dir den Mund nicht mit der Hand abwischen, nicht einmal das! Es gibt ein Tuch dafür. Du musst deinen Ritter zuerst durch die Türe lassen und der wiederum seine Frau zuerst und so weiter. Es sind tausend Regeln, die man in Augsburg meist noch nicht kennt. Aber das weißt Du sicher schon alles.
    Der Ritter hat es erklärt und es ist wirklich wichtig: Du unterscheidest dich durch diese Regeln von den dreckigen Bauern - in der Kleidung, in der Wohnung, im Benehmen. Du musst einen Ritter erkennen, ehe er den Mund auftut! Ich will doch nicht mit so einem Schmutzfinken verwechselt werden!
    Es kommt leider nur selten Botschaft aus Gotteszell, weil der alte Martin nicht mehr gut zu Fuß ist, und auch im Sattel sitzt er nicht mehr so sicher. Vielleicht kann ich ihm einmal einen Boten-gang abnehmen, und dann könnten wir uns ja irgendwie sehen. Stell dir das vor! Ich sollte aber mehr über das Kloster wissen als nur Gebete. Ich muss ja planen - ich muss viel planen für unsere Zukunft, nicht nur ein kurzes Wiedersehen.
     
    In Liebe,
    Dein Reinald

    Katharina an Reinald,
    Du willst noch mehr darüber wissen, wie wir im Kloster den Tag verbringen, damit Du planen kannst - ich darf gar nicht daran denken, was Du planst -
    Es ist bei uns ähnlich mit dem Benehmen, aber doch anders: Wir leben hier ganz im Angesicht Gottes und beten also achtmal am Tage. Sonst ist die Zeit fast ganz ausgefüllt mit Arbeit. Gott ist immer gegenwärtig, beim Beten wie beim Arbeiten. Aber ich muss zugleich auch an Dich denken, Du Lieber - ich erinnere mich gut daran, als ein Mönch in Augsburg

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