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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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Lämmerschwanz!
    Ich voller Wut. Da - auf einmal über mir in der Schlucht ein Lärm! Unglaublich, Kläffen und Krachen. Wenigstens ein kapitaler Rehbock, denke ich. Und da - ein Keiler, wie du noch keinen gesehen hast, ein schwarzer Brocken, groß wie ein Kalb und mit Hauern wie Dolche! Schleppt wenigstens fünf Hunde mit. Und gerade auf mich zu!
    Meinst du, ich bin erschrocken? Eigentlich ja schon, aber der Keiler hat davon nichts gemerkt. Ich kriege meine Saufeder zur Hand, den kurzen, dicken Spieß, mit dem man Wildsäue zur Strecke bringt. Stemme also meine Saufeder gerade vor mich - und immer mehr Hunde! Von allen Seiten in den Keiler hineingebissen. Der Kerl streckt den Bauch grad zu mir her, und ich stech zu mit aller Kraft und stech zu und stech zu und drücke und drücke! Und da liegt das Vieh und zuckt noch. Und die Hunde! Drei davon waren schon verreckt, zwei sind später verreckt, vier oder fünf bluten wie die Schweine.
    Und ich der Held! Kannst Du Dir nicht vorstellen! Die anderen Knappen, der Hans von Weiden, der Hinz und der Winfried, waren gelb vor Neid, und Herr von Gülten sieht so aus, als wenn er mich gleich zum Ritter schlagen wird.
    Der Lämmerschwanz hat nichts zur Strecke gebracht; von den anderen Knappen nur der Hans von Weiden, so ein sanftes Bürschlein - und was hat er erlegt mit seiner Armbrust? Ein Häslein! Da kann ich nur lachen.
    Doch nun zu Dir: Ich weiß noch immer nichts davon, wie Dein Tag verläuft, zu welcher Stunde Du Dich wo aufhältst. Ich muss es aber wirklich wissen, sonst kann ich nichts tun für uns. Sticken, malen, lernen. Nicht zu glauben!
    Die Hauer von dem Keiler habe natürlich ich bekommen, durchbohrt und auf eine Lederschnur aufgereiht. Herr von Gülten hat sie mir selbst um den Hals gehängt - solltest Du einmal sehen. Und wie neidisch der Kerl guckt, der die Sau eigentlich hätte erlegen sollen, dieser Konrad, dieser Lämmerschwanz.
     
    Von Deinem stolzen Wildschweinjäger,
    Reinald

    Katharina an Reinald,
    Du mahnst mich sicher zu Recht. Aber es gibt fast gar nichts zu sagen: Das Leben im Kloster ist recht gleichmäßig, es gibt fast keine Abwechslung, alles hat seinen Platz im Tag, wie es von den ehrwürdigen Vätern und Müttern seit Jahrhunderten festgelegt worden ist. Es gibt Feiertage und Fasttage und die gewöhnlichen Tage.
    Das Kloster versorgt sich wie jedes Kloster nach der Regel des heiligen Benedikt selbst: Die Laienbrüder und Laienschwestern sorgen für die tägliche Nahrung, die Nonnen sorgen für die geistlichen Bedürfnisse. Doch auch sie leisten - wie die Laien - ihren Beitrag für das wirtschaftliche Wohlergehen des Klosters: Alles, was bei uns hergestellt wird, kann ja verkauft werden.
    Im Kloster gibt es zwei Bereiche: Das innere Kloster und das äußere Kloster. Das innere Kloster ist für die Nonnen - Kirche, Kreuzgang, Kapitelsaal, das Refektorium, wo wir unsere tägliche Speise einnehmen, und das Dormitorium, wo wir schlafen. Und alle unsere Arbeiten sind in den dafür vorgesehenen Räumen. Ich kann aber nicht sagen, wann wir welche Arbeit machen.
    Aber nur Gott kann wirklich schützen, sagt unsere Frau Äbtissin.
    Die Gebetszeiten kennst Du. Dazwischen ist die Zeit für den Unterricht oder die Arbeit. Wenn einmal nicht unterrichtet werden kann, weil die ehrwürdige Mutter Hildegunde irgendwo anders gebraucht wird oder unpässlich ist, dann wird die Zeit zur stillen Einkehr genutzt. Es gibt Gottesdienste, das weißt Du ja alles selbst. Sonst hat eine Novizin wie ich noch wenig Einblick - etwa, was im Kapitel, in der Führung des Klosters, geschieht.
    Neben mir im großen Dormitorium für alle Nonnen und Novizinnen schläft die Novizin Mechthild. Sie ist sehr nett, und wir reden in der Nacht oft miteinander - natürlich nur flüsternd -, und auch während des Essens, wenn einmal Reden erlaubt ist, oder im Parlatorium, einem Raum, in dem es immer erlaubt ist zu reden, wo man aber nicht immer hineindarf. Mechthild ist die Tochter eines Grafen, also fast eine richtige Gräfin, und jeder glaubt, dass sie einmal Äbtissin sein wird. Entweder hier in unserem Kloster - das wäre wunderschön - oder vielleicht auch in einem anderen.
    Von Deiner Wildschweinjagd hast Du mir ausführlich berichtet, und ich freue mich für Dich. Aber pass auf Dich auf, dass Dir kein Unglück zustößt. Ich darf nicht daran denken.
     
    Der Segen Gottes und aller seiner Heiligen ruhe auf Dir!
    Deine Katharina

    Reinald an Katharina, die war unglaublich, diese

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