Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Wildschweinjagd, nicht? Jeder, der auf die Burg kommt, fragt mich, woher ich diese Zähne habe, und ich sage immer: Die sind von dem Keiler, den ich mit eigener Hand erledigt habe, ein Brocken wie ein Fels! Der Lämmerschwanz Konrad kriegt immer ganz glasige Augen.
Gestern hat er gesagt, ich solle nicht so angeben - ausgerechnet der! Meine Ahnenprobe ist so gut wie seine oder besser - vier Generationen Ritter. Ich hätte ihn am liebsten - nun ja, aber es muss bei uns Rittern ja alles nach Regeln gehen! Hans von Weiden, der Kümmerling, ist mir noch in den Arm gefallen. Und der Ritter hat uns dann mit stumpfen Waffen kämpfen lassen - wir üben das Kämpfen ja jeden Tag. Der Konrad ist älter als ich - aber ich habe dem Neidhammel ein paar gewischt, dass er schier geplärrt hat.
Und Herr Andreas von Gülten sieht mich jetzt mit ganz anderen Augen an. Ich bin der Knappe, der den Keiler getötet hat - allein, mit eigener Hand!
Das Blut von dem Keiler habe ich vom Schaft meiner Saufeder nicht abgewaschen - das sind so richtig fette braune Flecken. Am liebsten würde ich den Spieß den ganzen Tag bei mir tragen, aber das geht natürlich nicht.
Alle reden von einer Fehde. Es geht um Erbgeschichten. Und jetzt kommt das Beste: Gotteszell hat irgendwie mit dieser Fehde zu tun. Stell Dir vor, wir würden es besetzen oder beschützen oder belagern und einnehmen - ist ganz gleich! Aber ich wäre dann dort und es ist gar nicht auszudenken: Jeden Tag könnten wir uns sehen. Vielleicht ist unser Wiedersehen ja schon ganz nah und dann -
In Liebe und vielleicht bald in Jubel,
Reinald
Katharina an Reinald, vom alten Martin höre ich, dass er in aller Eile zur Burg Falkenberg muss: Ich schreibe Dir also nur kurz. Freust Du Dich wirklich, wenn Gotteszell angegriffen wird? Ist das möglich?
In Liebe,
Katharina
Reinald an Katharina,
ich verstehe Deinen letzten Brief nicht. Ja, freust Du Dich denn nicht, wenn wir uns endlich sehen können?
Ich weiß immer noch nicht, wann Du wo bist!
Hier ist alles so gut! Der Ritter nimmt mich immer mehr ernst. Vor zwei Tagen hat er mich nach meiner Meinung gefragt! Stell Dir das einmal vor!
Und das ist nicht das Einzige: Gestern war er mit mir in der Waffenkammer, mit mir allein! Er hat mir alles gezeigt: Schwerter, Dolche, Speere, Spieße, Lanzen, Schilde, Morgensterne, Eisenkeulen, Armbrüste, Bolzen, Bögen, Pfeile, Helme, Kettenhemden, Arm-und Beinschienen, Brustpanzer, sogar seine Eisenrüstung. Da musst du weit laufen, bis du so eine wohl gefüllte Rüstkammer findest. Und du fühlst dich wie ein Ritter von König Artus, wenn du mit einem Schwert durch die Luft haust oder mit einer Armbrust zielst - unglaublich!
Wart nur, wenn ich eines Tages in einer richtigen Rüstung stecke. Da schaust Du! Wetten!
Ich kann es kaum erwarten!
Reinald
Katharina an Reinald,
ich schreibe jetzt wie Du auf Birkenrinde, denn ich will nicht ein zweites Mal zur Diebin werden. Das ist mir klar geworden: Es darf nicht sein!
Du schreibst so viel von Waffen und von Gewalt - ist das recht? Von Waffen weiß ich nicht viel. Ich glaube schon, dass sie für Dich etwas Wichtiges sind. Aber ich glaube, dass es viel wichtigere Dinge auf der Welt gibt als Waffen, mit denen man sich doch nur gegenseitig umbringt!
Von Streitigkeiten, die das Kloster angehen, habe ich nichts gehört. Aber es gibt andere, sehr schmerzliche Dinge, die ich Dir schreiben muss.
Ich habe Dir von der Novizin Mechthild erzählt, die eigentlich eine Gräfin ist. In den letzten Wochen ist die Arme immer stiller geworden. Früher hat sie mich oft zum Lachen gebracht, etwas, das im Kloster nicht sein darf. Heiterkeit der Seele, ja, aber nicht mit lautem Gelächter! Nun aber hat sie geweint. Heimlich geweint. Ich war die Einzige, die davon gewusst hat.
Zuerst habe ich geglaubt, es sei Heimweh. Aber dann hätte sie ja am Anfang Tränen vergossen und nicht Wochen später, nachdem sie hier angekommen ist. Schließlich dachte ich, dass vielleicht ihr Vater oder ihre Mutter krank seien, aber sie hat immer nur den Kopf geschüttelt.
Sie ist so verzweifelt; manchmal hat sie sich fest an mich geklammert, dann wieder hat sie mich wieder zornig von sich gestoßen.
Auch ist sie in letzter Zeit bleich geworden, fast durchsichtig, dass ich geglaubt habe, sie sei krank. Aber wenn ich ihr sagte, sie soll zur Mutter Magdalena gehen, die unsere Kranken versorgt, viele heilende Kräuter kennt und die Heilbücher verwaltet, hat sie immer zornig Nein
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