Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
davon später!
Du fährst eigentlich dem Humpis sein Geld. Es liegt überall sauschwer unter den Planen.
Herr Humpis selbst reist übrigens nicht mit - dieser Schreiber führt den Zug. Und der verwandelt sich beim ersten Peitschenknall in den lieben Gott und kommandiert alle herum, dass du den Kerl zum Teufel wünschst, noch ehe ihr durchs Stadttor seid.
In den Dörfern ringsum schreien die Hähne, und die Sonne geht auf.
Eigentlich ganz schön, so mit dem Fuhrwerk durch die Gegend fahren. Du hast nichts weiter zu tun, lässt dich ziehen und schaust dir die Gegend an bis zum Abend in irgendeiner Herberge, dort fütterst du die Pferde und striegelst sie, dann haust du dich auch schon aufs Ohr. Und das bis Mailand - siehst was von der Welt und kriegst noch einen Haufen Geld dafür. Und im nächsten Jahr das Gleiche.
Denkst du -
Aber schon mal was von Lastenkalkulation gehört?
Du damals auch noch nicht.
Aber das ist so: Sie haben das Gewicht auf den Wagen festgelegt bis auf das letzte Stäublein. Nämlich genau so viel, wie die Pferde ziehen und die Wagen tragen können und kein Tüpfelchen mehr. Und da passt einer nicht mehr drauf - richtig: du!
Genauer - keiner passt drauf, außer dem Schreiber, dem der ganze Laden gehört, wenigstens tut er so. Und dann natürlich auf jedem Wagen der Kerl, der das Fuhrwerk lenkt, nämlich der Fuhrmann. Und das bist auch nicht du!
Du gehst mit den anderen Knechten schön neben den Wagen her, und du gehst und gehst, und zuerst meinst du: Halb so schlimm, aber dann merkst du - die Pferde sind mit ihren Wagen immer einen kleinen Schritt schneller als du, und du legst einfach einen Schritt zu; aber dann musst du immer noch schneller gehen, so kommt es dir vor. Denn die Pferde bleiben immer gleich schnell, aber deine Beine sind auf einmal Bleisäcke, und du fängst an zu schnaufen und zu hinken, schert aber niemanden, und es geht immer weiter. Und wenn du glaubst, du kannst wenigstens ein Paternoster nach dem anderen beten, wenn du nämlich beten willst - keinen Schimmer hast du!
Was ein Fuhrknecht den ganzen Tag zu tun hat? Viel, dauernd: Am Berg musst du unterlegen. Was das heißt? Du musst einen Keil unter ein Rad schieben, damit der Wagen nicht rückwärts rollt, wenn es die Pferde nicht mehr schaffen. Natürlich gibt es eine Bremse - aber die reicht oft nicht. So ein Keil ist schwer - du glaubst es nicht. Und du musst immer unterlegen - egal ob es bergauf geht oder bergab: Dem Wagen ist es nämlich wurst, ob er rückwärts oder vorwärts den Berg hinabrollt.
Viel schlimmer ist, wenn du den Wagen stützen musst, weil er nämlich anfängt zu schwanken und zu kippen, wenn die Straße zur Seite hin abschüssig ist. Da gibt es Stützen, die an den Wagen hängen, mit denen musst du das Gewicht des Wagens auffangen, wenn er den Hang hinabkippen will und auf dich zukommt. Eine Plage - kannst du dir gar nicht vorstellen! Wenn das ganze Saugewicht auf einmal auf die Seite kippt und turmhoch über dir hängt und dich jeden Augenblick erschlägt, und du drückst und drückst, und die Stütze biegt sich und kracht gleich - da weißt du am Abend, was du geschafft hast.
Und du darfst den ganzen Tag an die Pferde denken, dass sie es gut haben, und an die Wagen und Planen, und dass nichts klappert und nichts verrutscht von der Ladung. Nur an dich selbst darfst du nicht denken.
Du kannst auf tausend Arten den Löffel abgeben, aber von allen Arten abzukratzen sind die bei der Arbeit immer noch nicht die schlimmsten - wart’s ab!
Nein, kommt später, wie es dir an den Kragen geht. Auf jeden Fall ist dafür gesorgt, dass du unterwegs nicht einschläfst.
Erst kommt das, was du siehst, wenn du dich endlich einmal hinter deinem Ofen hervorbewegst. Der Bodensee, dann Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Landquart, später Chur und wie die Städte alle heißen, die an dir vorbeiziehen. Einmal auf einen Markt gehen oder so, oder auch nur in eine Kirche? Weiter, weiter!, heißt es.
Schlagbäume, Schlagbäume, Schlagbäume! Und jeder, der dabeisteht, will Geld. Wissen die genau, dass das Zeug auf den Wagen nicht aus Dreck ist. Und das Geleit wechselt wie das Wetter: Erst die von Ravensburg, dann die von Rietenberg, von Salis, die des Bischofs von Chur und noch viele, viele mehr - Geleitrecht: Sie hüten die Ladung, und du zahlst und zahlst und zahlst. Lassen sich die Herren vergolden das Geleit. Sie reiten nebenher wie aus Eisen, mit Schwert, Dolch, Schild, Helm, Kettenhemd. Vergeht jedem Räuber
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