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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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den eigenen Knechten! Er hat aber keine Angst, dass du damit ab-haust. Er hat Angst, dass du es verrätst! Aber wem willst du es denn verraten? Kennst du vielleicht irgendwelche Räuber? Und hier im Gebirge?
    Wenn er aber doch weiß, dass du nicht das Geringste - warum hat er dann mit dir geredet?
    Es gibt nur eine Antwort: Jemand wird dich danach fragen! Du bist fast beruhigt, weil du nichts weißt. Aber da gibt es vielleicht ein paar - ein paar, hat er gesagt -, die etwas wissen. Aber du hast keine Ahnung, wer das sein soll.
    Was wohl in diesem geheimen Ballen ist?
     
    Zwei Tage später - nichts ist geschehen; alles ist wie sonst; keiner der Knechte hat irgendetwas von der Ladung gesagt, du hast sogar aufgepasst, und du vergisst das Ganze. Der Schreiber hat dich zwar ein paar Mal nachdenklich angeschaut, aber er hat nichts mehr gesagt und ist am Abend schon gar nicht in deinen Stall gekommen und hat dich daran gehindert, einzuschlafen.
    Du hast auch gar keine Zeit, an so was zu denken. Der Weg hat sich geändert, und zwar gründlich. Zuerst bist du durch die Bischofsstadt Chur gekommen, hinter der das Gebirge jeden Weg verstellt. Hier teilt sich das Tal des Rheins nach Abend und nach Morgen. Der Rhein selbst teilt sich auch - oder besser, er hat zwei Arme, die kurz vor Chur zusammenfließen. Der Rhein ist jetzt ein unfassbar schnell hinschießender, grasgrüner Bach, vor dem du Angst bekommst, zudem kalt wie Eis. Und du siehst auf den Bergen große weiße Felder glänzen, es ist tatsächlich Schnee. Die Berge versperren jetzt den Weg nach allen Seiten.
    In der Nacht heult und tobt ein Sturm, und du bist froh, dass du in deinem Stall im Stroh liegst. Zersplitterte Bäume liegen am nächsten Morgen rings um die Herberge.
    Sie sagen, dass es ruhelose Geister von Toten sind, die auf den Bergen hausen und die im Sturm heulen, Geister von Menschen, die im Leben böse waren und nun keine Ruhe finden und auch im Tode Böses tun. Und im Winter stürzen sie Berge von Schnee herab auf ganze Dörfer mit Mann und Maus und Kirche und Häusern und Ställen und Scheunen.
    Du glaubst natürlich kein Wort: Die Leute an den Wirtshaustischen lügen und übertreiben, wie immer bei Fremden. Aber dann, wenn du nachts den Sturm heulen hörst, dann wirst du sehr nachdenklich -
    Übrigens reden die Leute hier oben im Rheintal nicht mehr deutsch wie alle Menschen, sondern eine Sprache, die man Rätisch nennt. Aber viele können recht gut Deutsch. Und sie sind ganz freundlich zu dir. Unser Großknecht sagt, weil sie an dir Geld verdienen, an jedem einzelnen Wagenzug, der durch ihr Land fährt. Sie geben ihm Geleit, sie verlangen Zoll, sie verkaufen den Fuhrleuten und Knechten Essen. Sie vermieten Ställe und verkaufen Geschirr, wenn etwas zerreißt, und so weiter.
    Du aber denkst plötzlich, dass jeder ein Räuber sein kann!
    Und was ist, wenn sie die Waren stehlen? Dann bekommst du keinen Heller!
    Ihr biegt hinter Chur hinein in das Gebirge und folgt weiter dem Bach, zu dem der Rhein geworden ist. Sein Bett ist voll mit gewaltigen Felsen, und sie sagen, dass er selbst die Brocken aus dem Gebirge herausträgt und noch weiter bis zum Meer. Und die werden dabei zu winzigen Sandkörnern, sagen sie.
    Du glaubst das alles nicht: Wie will Wasser solche Felsbrocken anheben und wegschleppen? Sie lügen dich an, weil du für sie ein Dummkopf bist, ein Bauernlümmel. Aber du sagst kein Wort. Dann können sie nicht über dich lachen -
    Und eines Abends heißt es: Ende mit der Fahrerei!
    Du begreifst nichts. Aber die Pferde werden am nächsten Morgen nicht wieder eingespannt. Sie bleiben im Tal, heißt es. Sie kommen vor diejenigen Wagen des Herrn Humpis, die mit Ladung aus Italien nach Ravensburg zurückkehren.
    Nach eurer Ladung hat dich niemand mehr gefragt.
    Was wird aus dir? Du bist besorgt. Jetzt, ohne Wagen, hast du auch keine Arbeit. Weshalb sollen sie dich dann bezahlen?
    Du traust dich aber nicht zu fragen.
    Und Mailand?
     
    Aber am nächsten Morgen laden sie dir einen Ballen Leinwand auf den Rücken und sagen: Den musst du jetzt hinauftragen.
    Wo hinauftragen? Du fragst, und sie stehen um dich herum und schauen dich an, als wenn du gerade erst vom Himmel gefallen bist.
    Über das Gebirge, sagen sie und glotzen dich immer noch an. Und du siehst, dass der Weg die Wand in einer Schlucht hinauf-steigt.
    Der Schreiber sieht dir prüfend ins Gesicht, bevor er sich wieder um seine ellenlangen Listen kümmert.
    Der Ballen Leinwand hat dir schier die

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