Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
sie halb im Wasser liegt.
Der Kerl redet tatsächlich mit dir und meint auch dich, weil er nämlich deinen Namen sagt und dabei sein Gesicht verzieht, als wenn er etwas Schlechtes in sein Maul nimmt.
Er kommt näher: Dass das klar ist, fängt er an, ich weiß ja nicht, was man dir gesagt hat. Aber da reden ein paar über unsere Ladung. Er macht eine Pause.
Du weißt nicht, was da geredet werden soll. Wer redet schon mit dir über die Ladung: Hast du den Hafer schon aufgeschüttet?, heißt es. Hast du die Pferde schon gestriegelt? Hast du schon das Geschirr aufgehängt oder abgenommen oder eingefettet und so weiter. Von der Ladung hörst du kein Wort, solange sie nicht verrutscht oder vom Wagen fallen will. Nur, dass man nichts sagen soll.
Der Kerl starrt dir ins Gesicht, als wenn er dich malen will. Es ist besser, du weißt nichts, sagt er dann langsam. Es gibt da ein paar Kerle. Du hast nichts gehört?
Du schüttelst den Kopf. Eben - nein. Du weißt ja auch nichts. Und du sagst nichts. Was sollst du denn sagen?
So schweigt ihr euch an, und du denkst: Jetzt ist es genug, schließlich muss man in der Nacht schlafen.
Du weißt nicht, wovon ich rede?, fängt der Hohlkopf dann wieder an. Es ist auch besser, wenn du nichts weißt, beantwortet er seine Frage selbst.
Eben, denkst du. Was sollst du denn wissen?
Dann steht er auf und geht.
Unter der Stalltüre bleibt er aber wieder stehen mit seinem Kienspan und sagt: Kein Wort davon zu irgendjemandem, ist das klar?
Herr, sagst du, wovon denn?
Eben, sagt der Kerl, deshalb weißt du ja auch nichts.
Und gerade als er die Türe von außen zuziehen will und es endlich Nacht wird im Stall - die Pferde haben auch schon angefangen, unruhig zu werden - und nur noch ein Spältchen ist offen, da geht die Türe nochmals auf, und der Kerl steht mit seinem Kienspan wieder da: Warst du dabei, als die Wagen beladen worden sind?, fragt er, als wärst du nicht der jüngste Knecht, der immer die ganze Drecksarbeit machen muss.
Warst du dabei?, fragt er.
Ganz zu Beginn, erinnerst du dich, da warst du einmal nicht dabei - einen Teil der Ladung haben sie in der Nacht gebracht und heimlich aufgeladen, da warst du bestimmt nicht dabei. Und von den anderen Knechten auch keiner, sonst hätte schon längst einer angegeben, dass er etwas weiß, was du nicht weißt. Das ist immer so - kannst du mir glauben!
Jetzt erinnerst du dich wieder: Schwer ist dieser Teil der Ladung, sicher der schwerste. Und er liegt unten auf dem Grund, unter den anderen Ballen. Am Anfang hast du immer daran denken müssen, was das wohl sein kann. Und du merkst auf einmal, dass du doch etwas weißt, und du merkst auch, dass du nicht weißt, was du weißt, und der Kalbskopf mit seinem Kienspan glotzt dich an.
Du weißt doch etwas!, sagt er und sieht aus, als wenn er dich an den nächsten Galgen hängen lassen will.
Herr!, sagst du. Was sollst du denn sonst sagen. Herr!, das schadet nie etwas. Er ist sicher kein richtiger Herr wie der Herr Humpis. Aber freilich, du bist nichts als der kleinste Knecht, und neben dir ist der Schreiber hier sehr wohl ein Herr.
Heraus mit der Sprache, sagt er jetzt, was weißt du? Oder muss ich dich von ein paar Reitern draußen fragen lassen?
Herr, sagst du, obwohl das langsam eine Dummheit ist, dass du immer Herr sagst. Aber was sonst? Ich weiß nichts, sagst du. Es ist spät und du willst endlich schlafen. Und du weißt ja wirklich nicht, was das alles soll und warum dich die Reiter -
Keine Ahnung, was in dem einen Ballen ist! Freilich, du hättest alles sagen sollen. Du hättest sagen müssen, dass du die nächtliche Ladung mitgekriegt hast und dass sie schwer wiegt - du weißt nur nicht, was darin ist. Aber wäre das wirklich besser gewesen?
Dann sagt der Schreiber langsam und betont jedes einzelne Wort: Wenn du das Geringste darüber sagst, wem auch immer, vergeht dir Hören und Sehen! Ist das klar?
Dann geht er endlich.
Du liegst im Dunkel. Um dich hat sich nichts geändert. Es ist warm, Staub und Stroh kitzeln in der Nase. Ein Pferd stampft, eine Maus raschelt, etwas krabbelt an deinem Bauch hoch; es wird dich über Nacht halb aussaugen, und es wird jucken, dass du den ganzen Tag kratzen musst, bis das Blut herunterläuft. Aber was willst du machen?
Du überlegst dir: Klar, er hat Angst um die Fracht. Nicht um die ganze Fracht, sondern um diesen schweren Ballen, den sie damals in der Nacht aufgeladen haben.
Das Zeug ist wertvoll! Keine Frage, und er traut nicht einmal
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