Augenzeugen
erlebt, und das will was heißen.»
«Unser Bäuerlein aus Reichswalde hat sich ganz schön in die Scheiße geritten.» Cox wickelte seine Schokoladenstückchen aus. «Ich möchte wissen, wie der sich aus der Nummer noch rauswinden will.»
«Wenn er gescheit ist», sagte Astrid, «hält er einfach weiter den Mund.»
«Das wollen wir doch mal sehen!» Van Appeldorn feixte und griff zum Telefon.
Toppe war seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr in Büderich gewesen.
Als er in Meerbusch ankam, wo die Reichen, Schönen aus der Landeshauptstadt residierten und wo auch Escher wohnte, stellte er fest, dass er gut eine halbe Stunde zu früh war. Also fuhr er durch bis zum Ortskern, stellte sein Auto auf einem Platz schräg gegenüber von der Kirche ab und lief durch die Straßen. Ein unbekanntes Gefühl drückte ihm die Brust zusammen.
Büderich hatte seinen dörflichen Charakter abgestoßen. An der Hauptstraße gab es jetzt lauter Läden mit trendigem Schnickschnack, Szenecafés, Weinboutiquen, die die Nähe zu Düsseldorf ahnen ließen. Hier roch es ein bisschen nach Wohlstand und neuem Jahrtausend, aber nur ein paar hundert Meter vom Zentrum entfernt sah es anders aus: grau, unscheinbar, die Häuser trist und dunkel. Daran konnte er sich erinnern, an die Schienen der K-Bahn, die löcherigen Bürgersteige.
Er sah in die Gesichter der Passanten, erkannte niemanden.
Der Friedhof – um das Grab der Eltern hatte er sich nie gekümmert, er würde auch heute nicht hingehen.
Gernot Escher hatte sich kaum verändert, das Haar war immer noch weizenblond, der Blick aus den dunkelbraunen Augen immer noch aufmerksam und direkt, nur die Falten um den Mund waren ausgeprägter.
Er begrüßte Toppe mit einem festen, trockenen Händedruck. «Möchten Sie ablegen?»
Toppe gab ihm seine Jacke. Irgendwo im Haus greinte ein Kind. Das musste Eschers Sohn sein, Benjamin, nur knapp drei Monate nach Alinas Entführung geboren.
«Darf ich Sie in mein Arbeitszimmer bitten?»
Das Gespräch begann steif und förmlich, genau wie Toppe es befürchtet hatte. Escher wusste aus der Zeitung von Geldeks Tod, konnte aber nicht nachvollziehen, weshalb Toppe mit ihm darüber sprechen wollte.
«Ich erinnere mich, dass Sie damals mit meinem Strafmaß nicht einverstanden waren.»
«Das bin ich immer noch nicht! Und ich kann es nach wie vor nicht verstehen, dass Geldek nicht unter Anklage wegen Anstiftung zum Mord gestellt wurde.»
Escher betrachtete ihn interessiert. «Stimmt, jetzt fällt es mir wieder ein, Sie konnten keine schlüssigen Beweise beibringen. Aber erklären Sie mir doch bitte, was das alles mit Geldeks Ermordung zu tun hat.»
«Ich hoffe, dass Sie mir das erklären werden. Warum haben Sie sich damals eigentlich so darum gerissen, Geldeks Fall zu bearbeiten?»
«Habe ich das?» Eschers Mundwinkel zuckten. «Wer hat das behauptet?»
«Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich keine Namen nennen.»
«Dann ist Ihre Behauptung irrelevant. Haben Sie noch weitere Fragen?»
Toppe biss die Zähne zusammen, irgendwie musste dieser Mensch doch aus der Reserve zu locken sein. «Wie haben Sie es eigentlich geschafft, eine Baugenehmigung für ein Haus mitten im Naturschutzgebiet zu bekommen?»
Für den Bruchteil einer Sekunde kniff Escher die Augen zusammen. «Darum hat sich das Architekturbüro gekümmert.»
«Dürfte ich den Namen des Architekten erfahren?»
«Martina Geldek.»
«Und deren Firma hat dann auch den Bau ausgeführt, nehme ich an.»
«Exakt.»
«Höchst interessant! Meines Wissens arbeitet Frau Geldek schon lange nicht mehr in ihrem Beruf.»
«Das entzieht sich meiner Kenntnis.»
Selbstverständlich! Toppe rechnete nach. Als Eschers Haus gebaut wurde, war Eugen Geldek außer Landes gewesen. Hatte Martina Geldek Escher überredet, Geldeks Fall zu übernehmen, indem sie ihn mit einem natürlich sehr kostengünstigen Haus in einer absoluten Toplage geködert hatte? Und als sie sicher gewesen war, dass Escher spurte und ihr Mann mit einem blauen Auge davonkommen würde, hatte sie eine Nachricht nach Südamerika geschickt, und Geldek hatte sich auf den Heimweg gemacht!
Escher erhob sich abrupt. «Wenn Sie das, was Sie sich da gerade in Ihrem schlauen Kopf zusammenreimen, aussprechen, muss ich Sie bitten zu gehen!»
«Das verstehe ich.» Toppe blieb sitzen. «Wissen Sie, Herr Escher, ich bin lernfähig. Ich werde meine Vermutungen erst aussprechen, wenn ich stichhaltige Beweise habe. Wo waren Sie am Mittwoch, dem
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