Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
als ich auf der Nachhausefahrt kurz mit dem Handy ins Internet ging. Ich fragte mich, wie sie die wahnsinnig geistreiche Wortschöpfung »Popp-Star der Geisterwelt« wohl auf den japanischen Nachrichtenseiten übersetzt hatten.
»Bis die Schule nächste Woche wieder anfängt, wird sich die Aufregung gelegt haben und die Leute zerreißen sich über irgendwelche anderen vermeintlichen Skandale den Mund«, versuchte Gina mich, den Blick auf die Straße gerichtet, zu trösten.
Ich betrachtete die schweren grauen Wolken, die über uns aufzogen, und betete zum Wettergott, er möge einen landesweiten Schneesturm über uns niedergehen lassen, der alle Strom- und Telefonleitungen lahmlegte und dafür sorgte, dass die Schule noch für mindestens zwei weitere Wochen geschlossen bleiben musste. Ich dachte einen Moment lang nach, dann tippte ich kurz entschlossen eine SMS .
HAST DU SCHON DIE GEDULD VERLOREN?
»Ich bin sehr stolz auf dich«, sagte Gina. »Du hast dich nicht von Harriet Stone einschüchtern lassen, sondern dich zur Wehr gesetzt und bist dabei trotzdem bei der Wahrheit geblieben. Das war sicher nicht einfach für dich.«
»Du hast es gewusst, oder? Beide Seiten bekommen doch vor der Gerichtsverhandlung dieselben Unterlagen zur Vorbereitung.«
Ihre Miene verfinsterte sich. »Ja, ich habe Logans Aussage gelesen, aber ich hätte niemals geglaubt, dass Harriet ihre Strategie auf diesen intimen Details aufbauen würde.«
»Gibt es sonst noch etwas, von dem ich wissen sollte, bevor sie morgen zum finalen Schlag ausholt?«
»Ich glaube nicht. Außerdem hast du deine Pflicht erfüllt, du kannst der Verhandlung also fernbleiben.«
»Ich möchte Logan aber sehen.« Ich fuhr mit dem Zeigefinger an der Gummidichtung der Scheibe entlang. »Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit.«
»Hoffen wir es für ihn«, entgegnete Gina leise.
Ich tat so, als hätte ich ihre Bemerkung nicht gehört, weil im selben Moment mein Handy vibrierte. Zachary hatte geantwortet. Ich zog es aus der Tasche und schaute mit klopfendem Herzen aufs Display.
NOCH LANGE NICHT.
In dieser Nacht lag ich schlaflos auf der Couch und starrte in die dunkle Ecke des Wohnzimmers auf den Weihnachtsbaum. Wie jedes Jahr bestand Tante Gina darauf, ihn bis zum 6. Januar stehen zu lassen, allerdings schalteten wir seit Silvester die Lichterkette nicht mehr an. Er bot einen ziemlich traurigen Anblick, die Kugeln waren verstaubt, und selbst die Plastikzweige sahen aus, als wären sie vertrocknet und hätten Nadeln gelassen.
Kurz bevor ich schließlich doch eindöste, erfüllte plötzlich ein violettes Glühen den Raum. Ich hielt die Augen geschlossen, sah jedoch zwischen den Lidern hindurch, wie das Licht heller wurde, als er sich mir näherte.
»Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, Aura«, flüsterte Logan. »Aber ich bin hier, um dir etwas zu geben. Etwas, das ich dir versprochen hatte und das ich dir nicht vorenthalten darf.«
Beinahe hätte ich die Augen aufgeschlagen, aber dann kniete er sich neben mich und ich stellte mich weiter schlafend, um abzuwarten, was er tun würde.
Logan holte tief Luft, was so echt klang, dass ich fast versucht war zu glauben, er wäre noch am Leben. »Es heißt Forever .«
Und dann begann er zu singen. Ich kannte die Melodie nicht und fragte mich, ob es der Song einer Band war, die wir mal zusammen live gesehen oder bei unserem ersten »offiziellen« Date gehört hatten.
Doch als er zum Refrain kam, erkannte ich plötzlich uns selbst in seinen Worten wieder. Ihn und mich. Meine Unsicherheiten und Ängste, seine Wünsche, seine Träume und Exzesse, unsere verbitterten Streits, das ewige Hin und Her und Auf und Ab. Und ich erkannte, dass das alles nicht wichtig gewesen war, dass die Dinge, die uns vermeintlich auseinandergerissen hatten, niemals gegen das ankamen, was uns untrennbar miteinander verband. Und zwar für immer .
Tränen quollen unter meinen geschlossenen Lidern hervor und liefen mir übers Gesicht. Logan musste sie gesehen haben, aber er ließ sich nichts anmerken und hörte nicht auf zu singen. Er gab seine letzte Zugabe, sein großes Finale: nur für mich. Ich hatte mich geirrt, was uns anging. Wenn er noch leben würde, wären wir glücklich. Vielleicht nicht an jedem einzelnen Tag, aber doch auf die gesamte Zeitspanne bezogen, die »für immer« ausmachte.
Aber er lebte nicht mehr.
Eine grenzenlose Leere breitete sich in mir aus. Der Schmerz war so groß, dass ich kaum atmen konnte. Am liebsten
Weitere Kostenlose Bücher