Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
nickte ihnen zu. Sie waren ebenfalls im Abschlussjahrgang, und mit zwei von ihnen war ich eigentlich ganz gut befreundet, aber seit Logans Tod schienen mir außer Megan und Zachary alle an der Schule aus dem Weg zu gehen.
»Hübscher Pulli, Aura.« Becca Goldman (mit ihr war ich nie befreundet gewesen, im Gegenteil) musterte mich spöttisch. »Interessante Farbwahl für einen Post-Shifter.«
»Schwarz steht dir richtig gut«, sagte Zachary lächelnd.
»Danke.« Ich hatte mich entschieden, einen schwarzen Pulli anzuziehen, weil das nun mal die klassische Trauerfarbe war und am allerbesten zu meiner Stimmung passte. Abgesehen davon hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht das Bedürfnis, Geister abzuschrecken.
»Geht es dir ein bisschen besser?«, fragte Zachary mitfühlend.
»Ein bisschen.« Ich rieb mir die Augen, die immer noch leicht gerötet waren. Aber wenigstens konnte ich wieder Kontaktlinsen tragen.
»Du … Zach?« Becca schleuderte ihre dunkelbraune Haarpracht zurück. »Die Mittagspause ist in zehn Minuten vorbei …«
»Ist bei euch noch Platz?« Zachary sah mich so flehend an, als wäre er ein Ertrinkender in einem Meer aus Oberflächlichkeit und ich sein Rettungsring.
»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Aber das ist gerade ein ganz schlechter Zeitpunkt.«
Ein leicht verletzter Ausdruck huschte über sein Gesicht, aber er fing sich schnell wieder. »Oh. Klar. Verstehe. Dann sehen wir uns nachher in Geschichte.«
Gefolgt von seinem Fanclub, ging Zachary zum anderen Ende des langen leeren Tischs und setzte sich. Rachel Howard, die bei uns in der Gegend wohnte und eines der besagten Mädchen war, mit denen ich eigentlich ganz gut befreundet war, sah noch einmal über die Schulter zu mir zurück. Als unsere Blicke sich trafen, runzelte sie die Stirn, aber ich konnte nicht erkennen, ob ihre Miene mitfühlend oder verächtlich war, und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
»Warum wolltest du nicht, dass Zachary sich zu uns setzt?«, fragte Megan erstaunt.
»Die wären ihm doch nicht von der Seite gewichen, und ich habe im Moment wirklich keine Energie, Beccas neue Handtasche von Coach zu bewundern oder darüber abzulästern, welcher Loser sich gestern bei Get a Life zum Trottel gemacht hat.« Die beliebte Realityshow über Familien, die mit den Geistern ihrer Verstorbenen zusammenlebten, hatte noch nie zu meinen Lieblingssendungen gehört, aber ab jetzt war sie offiziell von meiner Fernsehliste gestrichen.
»Wenn diese Giftschlangen versucht hätten, sich zu uns zu setzen, hätten sie den hier zu sehen bekommen.« Megan steckte die Hand in ihre Jackentasche, und als sie sie wieder herauszog, hatte sie einen schwarzen Handschuh mit einer aufgedruckten weißen Skeletthand an, bei der nur der Mittelfinger ausgestreckt war, sodass es aussah, als würde sie den Stinkefinger zeigen.
»Wow!« Ich sah sie mit großen Augen an. »Wo hast du den her? Der ist total genial!«
»Freut mich, dass er dir gefällt. Ich hab dir nämlich auch ein Paar besorgt.« Sie warf sie mir zu. »Die hab ich letzte Woche in einem Laden in Hampden entdeckt. Eigentlich wollte ich sie dir erst an Halloween schenken, aber ich hab das Gefühl, dass du sie jetzt schon nötig hast.«
Damit hatte sie verdammt recht. Ich brauchte diese Handschuhe für alle, die mich anstarrten, wenn ich an ihnen vorbeiging, die gehässig tuschelten, wenn sie glaubten, ich sei außer Hörweite, und so taten, als wäre es eine ansteckende Seuche, einen toten Freund zu haben. Am liebsten hätte ich der ganzen Welt den Stinkefinger gezeigt – mit Ausnahme von drei Menschen (oder vier, wenn ich Gina dazuzählte).
Nummer eins saß mir direkt gegenüber, Nummer zwei schaute vom anderen Ende des Tischs immer wieder verstohlen zu mir rüber und Nummer drei war …
Tja, wo Nummer drei steckte, wusste ich nicht. In Irland? In Disney World? Im Skater Shop auf der Harford Road?
Dem Ausdruck nach zu urteilen, den ich gestern Abend auf Logans Gesicht gesehen hatte, wusste ich nur, dass er diese Welt so bald nicht verlassen würde. Er war in ein neues Leben geboren worden, ein Leben, das ihm ein – fast – grenzenloses Abenteuer versprach.
Ich hätte nur gern gewusst, ob ich auch ein Teil dieses Abenteuers sein würde.
Die Trauerfeier war absurd.
Der Priester gab sich wirklich Mühe. Er sprach davon, was für eine schreckliche Tragödie es sei, dass ein so junges Leben ein so plötzliches Ende gefunden habe und dass es für uns
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