Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
gern selbst ein Bild von ihm machen.«
»Falls es dich beruhigt – ich konnte so gut wie keine Serienkillertendenzen an ihm feststellen.«
Sie lachte. »Dir scheint es schon wieder ein bisschen besser zu gehen.«
Ich setzte mich aufs Bett, löste die Schnürsenkel an meinen Chucks und sagte betont gleichgültig: »Vielleicht gewöhne ich mich ja allmählich an den Gedanken, dass Logan wirklich tot ist.« Gott, wem versuchte ich hier etwas vorzumachen? Ich log sogar noch schlechter als ich zeichnete.
»Aura?« Ginas Stimme klang alarmiert. »Hast du Logan seit der Aufbahrung wiedergesehen? Trefft ihr euch?«
Ich zog eine Socke aus und schaute nach, ob sie irgendwelche Löcher hatte. »Ja, wir haben uns gesehen. Aber nur kurz. Na ja, du weißt ja selbst, wie Logan ist. Er hält es nie lange an einem Ort aus.«
Gina kam ins Zimmer und setzte sich neben mich. Ich hielt den Atem an, als sie mit ihrem bestickten Hausschuh beinahe auf den Henkel der Tüte unter dem Bett getreten wäre.
»Hör zu, Schatz«, sagte sie, und ich wappnete mich innerlich, weil das ihre Standardeinleitung war, wenn sie irgendetwas Ernstes mit mir besprechen wollte. »Ich weiß, wie schwierig das alles für dich ist. Du dachtest, du hättest Logan für immer verloren, und jetzt ist er plötzlich doch wieder aufgetaucht. Das muss sehr verwirrend, quälend und gleichzeitig aufregend für dich sein, und ich kann mir vorstellen, dass es dir jetzt noch schwerer fällt, seinen Tod zu akzeptieren.«
»Mhm-mhm.« Ich ließ mein Armband fallen und tat so, als wäre es mir aus der Hand gerutscht. Als ich mich danach bückte, schob ich die Tüte unauffällig noch ein Stück weiter unters Bett.
»Aber er ist nun einmal tot«, fuhr sie fort. »Er gehört nicht mehr hierher.«
Dann gehöre ich auch nicht mehr hierher , dachte ich trotzig, obwohl mir selbst klar war, wie absurd der Gedanke war.
Tante Gina legte mir eine Hand aufs Knie und sah mich eindringlich an. »Du musst ihm helfen, das zu verstehen, Aura. Damit er Frieden findet und hinüberwechseln kann.«
»Und was, wenn er nicht hinüberwechseln will?«
»Es wird der Moment kommen, in dem er es wollen wird.« Sie strich sich eine widerspenstige blonde Locke aus dem Gesicht. »Im Augenblick ist er noch zu durcheinander und zu wütend. Auf sich selbst und auf die Leute, die an seinem Tod die Schuld tragen.«
Die Schuld trage ich.
»Aura?« Tante Gina faltete die Hände im Schoß und holte tief Luft. »Die Keeleys haben mich gebeten, einen Prozess wegen fahrlässiger Tötung gegen Warrant Records anzustrengen.«
»Aber dann muss Logan vor Gericht aussagen«, rief ich erschrocken und spürte, wie mir heiß wurde. »Er wird ganz genau schildern müssen, was vor seinem Tod passiert ist.«
»Ja, und du wirst als Zeugin aussagen müssen.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!« Ich sprang vom Bett auf. »Hast du eine Ahnung, was dann passieren wird? Die Leute zerreißen sich doch auch so schon das Maul über mich und Logan.«
»Genau deswegen ist das für dich die Chance, die Dinge richtigzustellen und zu schildern, wie es wirklich war.«
»Die Wahrheit ist doch genauso schlimm wie die Gerüchte.« Ich schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. »Bitte tu uns das nicht an, Tante Gina. Ich weiß, dass du Geld brauchst, um mein Studium zu finanzieren, aber …«
»Du glaubst, hier geht es um Geld?« Meine Tante stand mit einem Ruck auf und schlang ihren Kimono enger um sich. »Es geht um Gerechtigkeit. Das ist viel wichtiger als das Gerede der Leute. Die ziehen sowieso über alles und jeden her, ganz gleich, worum es geht. Da muss irgendeinem Hollywoodsternchen nur der perfekt manikürte Nagel abbrechen, schon stürzen sie sich darauf und vergessen alles andere wieder. Du darfst nicht nur an dich denken, Aura.«
»Was willst du damit sagen? Dass ich egoistisch bin, weil ich nicht will, dass die ganze Welt meine intimsten Geheimnisse erfährt?«
»Wenn du nicht imstande bist zu erkennen, dass es hier um etwas viel Wichtigeres geht als um dich, bist du tatsächlich egoistisch. Du vergisst, was auf dem Spiel steht.«
»Ja, Millionen von Dollar.«
»Nein. Logans Seelenfrieden.«
Ich musste schwer an mich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. »Er wird hinüberwechseln, wenn er bereit dazu ist.«
»Und was, wenn er das nicht kann ?« Gina deutete mit einem korallenrot lackierten Fingernagel auf mich. »Was, wenn er zum Schatten mutiert?«
»Das wird niemals passieren«, erwiderte ich
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