Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
und setzte sich ruckartig auf. Gott, bitte nicht noch einer! Ich stöhnte und verfluchte Zachary und mich selbst, weil ich auf dieses Schiff gekommen war, obwohl ich genau gewusst hatte, was mich hier erwarten würde.
Der einstige Leutnant lief auf mich zu. »Sie hat mir einen Brief geschrieben!«, rief er. »Wir wollten heiraten, aber dann hat sie einen anderen gefunden. Bitte sagen Sie ihr, dass ich ihr vergebe.«
»Ihre Braut ist inzwischen tot«, erklärte ich ihm geduldig. »Sie müssen hinüberwechseln.«
»Sie haben meiner Familie nie den Sold ausgezahlt, den sie mir noch schuldeten«, kam von links die tiefe Stimme eines anderen Geistes.
Ich stellte mich mit dem Rücken zur Wand und hob die Hände. »Bitte hören Sie auf! Lassen Sie mich in Ruhe!«
Um mich herum wurde ein Chor zorniger Stimmen laut – fünf, sechs, sieben Männer, die abrupt aus dem Leben gerissen worden waren und jetzt all ihre Wut und Verbitterung herausschrien.
»Lasst mich in Ruhe«, flüsterte ich und kniff die Augen zu.
»Nur ein kleines Pfeifchen. Mehr will ich doch gar nicht.«
»Mit den dreihundert Dollar hätten sie die Miete für ein ganzes Jahr bezahlen können.«
»Warum hat sie nicht auf mich gewartet?«
»Hört auf!« Ich presste die Hände auf die Ohren, aber die Stimmen wurden immer lauter.
»Niemand versteht mich.«
»Niemand hört mir zu.«
»Niemand hat Mitleid mit mir.«
» DU SCHMECKST FALSCH !!«
Beim Klang der neuen Stimme riss ich erschrocken die Augen auf. »Nicht …!«, wimmerte ich.
Ein schwarzlila wabernder und zuckender Nebel quoll durch die anderen Geister auf mich zu und hüllte mich ein.
» VERSCHWINDE AUS UNSERER WELT !« Die Stimme knisterte und quietschte wie eine übersteuerte E-Gitarre. » DU GEHÖRST NICHT HIERHER !«
Mein Magen verkrampfte sich, als wäre das Schiff urplötzlich in ein Wellental gestürzt. Mein Kopf tat so unglaublich weh, dass ich noch nicht einmal mehr die Kraft hatte zu schreien. Ich hielt schützend die Arme vors Gesicht und sank gegen die Bordwand. Der Schatten schwebte über mir, und seine kreischende Stimme fühlte sich an wie die Klauen eines Monsters, die sich in mein Fleisch gruben.
» ICH ERKENNE, WAS DU BIST !«
Ich sank auf die abgetretenen Planken und versuchte auf allen vieren davonzukriechen, während die Geister im Hintergrund mir weiter laut ihr Leid klagten.
Dann kehrte schlagartig Stille ein.
Den Kopf zwischen den Schultern vergraben, wartete ich bewegungslos auf die nächste Kreischattacke und machte mich auf das Schlimmste gefasst. Als ich Schritte hörte, öffnete ich die Augen. Die einzigen Menschen, die mich jetzt retten konnten, waren die Obsidians des DMP .
»Aura?«
Ich drehte mich vorsichtig um und sah Zachary allein in der Kabinentür stehen. Die Geister waren verschwunden. Von dem Schatten war nichts mehr zu sehen.
Die nächsten Worte sprach er so leise aus, dass ich sie kaum verstehen konnte. »Jetzt weißt du es.«
Plötzlich erinnerte ich mich an den Tag, an dem ich Zachary das erste Mal zu Hause abgeholt hatte, und wie Logan genau in dem Moment verschwand, in dem Zach die Autotür geöffnet hatte. Und als wir kurz darauf im Einkaufszentrum gewesen waren, war mir ebenfalls kein einziger Geist begegnet.
Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, konnte ich mich nicht erinnern, in Zacharys Gegenwart jemals einen Geist gesehen zu haben … und Logan hatte ihn Mr Red genannt.
»Das warst du?«
»Soweit ich weiß, ja.« Zachary lief auf mich zu und kniete sich besorgt neben mich. »Aber ich habe keine Ahnung, wie ich es mache.«
»Und du hast noch nie jemandem davon erzählt?«
»Natürlich nicht.« Er half mir aufzustehen.
Ich presste die Hände gegen die Schläfen und versuchte meinem Gehirn klarzumachen, wo oben und wo unten war. »Aber woher weißt du überhaupt, dass du Geister verscheuchen kannst, wenn du sie doch gar nicht siehst?«
»Eine von meinen … Ich kannte mal einen Post-Shifter, dem es irgendwann aufgefallen ist, und daraufhin haben wir es immer wieder getestet. Wo ich bin, sind keine Geister.«
»Aber wieso hat das sonst niemand bemerkt? Zum Beispiel die Leute aus der Schule, mit denen du öfter zusammen bist?«
»Ich achte darauf, möglichst immer im Hellen zu stehen, und suche mir hauptsächlich Freunde, die älter sind als ich.« Zachary warf über die Schulter einen prüfenden Blick zur Tür. »Niemand darf jemals etwas davon erfahren.«
»Nicht einmal dein Vater?«
»Nein.« Zach schüttelte den Kopf.
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