Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
glücklich darüber war. Wir bekamen einen langen Vortrag zu hören, darüber, dass wir jetzt keine Kinder mehr seien, und sie erklärte uns, wie wir uns jetzt als junger Mann undjunge Frau zu verhalten hätten. Außerdem betonte sie, dass ihre teure Boswellian Bodylotion nicht als Spielzeug geeignet sei. Es fühlte sich an, als habe Yumi an diesem Tag eine Mauer zwischen uns errichtet.
Jetzt bemerke ich, wie sehr ich ihn vermisst habe. Nicht nur während der letzten Wochen, sondern in den letzten fünf Jahren. Obwohl er die ganze Zeit nur ein Haus entfernt war, fühlt es sich an, als ob ein Teil von mir gefehlt hätte. Rei ist das Yang zu meinem Yin – nicht das Gegenteil von mir, sondern wie eine ergänzende Kraft, die mich ausbalanciert. In diesem Moment will ich mich neben ihn legen, mich auf dem Bett ausstrecken und ihn wie eine Decke über mich ziehen. In diesem Moment gibt es keinen Ort, an dem ich lieber wäre.
Aber nichts währt ewig. Rei fährt mit der Hand an meiner nackten Wade entlang, die Taylor hoffentlich heute Morgen rasiert hat. »Ist dir kalt?«, fragt er und drückt meinen nackten Fuß. »Du … deine Füße sind eiskalt! Haben sie dir keine Socken gegeben?« »Socken? Was für Socken?«, sage ich und hoffe, dass er die Plastiktüte nicht entdeckt, in der ein Paar fusselige, abgrundtief hässliche graue, rutschfeste Socken stecken. Ich habe sie in den Entlüftungsschacht unter dem Fenster gesteckt. Schnell wechsle ich das Thema. »Kannst du mir dabei helfen, die restlichen Stecker rauszunehmen?«
»Klar. Sobald du unter der Bettdecke steckst und deine Füße aufwärmst. Und ja, du brauchst Socken. Du kannst nicht mit nackten Füßen auf dem Krankenhausfußboden herumlaufen. Du könntest dir alles Mögliche holen.«
Was würde ich ohne Rei machen, der mich auf all die Gefahren hinweist, die ich einfach übersehe? »Ich habe dich vermisst«,gestehe ich und gleite von seinem Schoß unter die warme Decke.
»Ich habe dich auch vermisst. Hast du das Zungenpiercing herausbekommen?«
»Ja, aber mit diesen dämlichen Fingernägeln habe ich ewig dafür gebraucht.« Ich wackle mit meinen Fingern.
»Das glaube ich. Lass mich mal sehen … « Rei streift meine Haare hinter meine Ohren und widmet sich sanft dem ersten Ring. »Wenigstens hat sie keine Stecker reingemacht, die die Löcher ausweiten.«
»Nein, aber sie hat meinen Bauchnabel gepierct. Ich habe es entdeckt, als ich im Bad war.«
Rei grinst. »Willst du, dass ich mich darum kümmere?«
»Hmm, nein. Ich dachte, dass ich diesen Stecker drinlasse.«
Rei hält inne. »Wirklich?«
Ich grinse ihn an. »Das war ein Witz.«
»Oh, nicht, dass du ihn nicht drinnen lassen könntest … «
»Zu spät. Schon draußen.«
»Ach so.« Rei fummelt weiter an den Verschlüssen meiner unzähligen Ohrringe herum. »Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst, aber meinst du, dass Taylor noch in der Nähe ist?«
Okay, vielleicht ist doch nicht alles in Ordnung. Ich antworte ihm nicht sofort und versuche die Gefahr noch einen kurzen Moment länger zu ignorieren. Rei hat recht. Ich war zu beschäftigt, um daran zu denken. Aber ich glaube kaum, dass das Licht dieses Mal erschienen ist. Warum auch? Ich bin nicht gestorben und Taylor war schon tot. Sie muss sich noch in dieser Dimension aufhalten und sie könnte in dieser Minute sogar in einer Ecke des Raumes sein.
»Anna?«
»Ja, ich habe dich gehört. Selbst wenn sie in diesem Moment nicht hier ist, bin ich mir sicher, dass sie früher oder später auftauchen wird«, sage ich ihm, während er den letzten Ohrring aus meinem Ohr zieht. Oh! Es fühlt sich so gut an ohne die ganze Hardware. Endlich kann ich mich kratzen!
»Vorsicht, du willst nicht, dass es zu bluten anfängt.« Rei nimmt meine beiden Hände zwischen seine. Ich versuche, sie zu befreien, aber er hält mich mit seinem Ninja-Griff fest. »Ich weiß, dass du in deinen Träumen manchmal deinen Körper verlässt. Kannst du das kontrollieren? Was passiert, wenn sie wieder in deinen Körper schlüpft?«
»Das sind wirklich gute Fragen. Und ich wünschte, ich … «
Meine Mutter kommt überglücklich und ohne zu klopfen herein. Als Rei aufsteht, um sie zu begrüßen, kratze ich schnell mein Ohr. Meine Mutter schaut überrascht auf den Haufen Ohrringe auf dem Tablett.
»Was macht ihr da?« Sie sieht von mir zu Rei.
Ich habe circa vier Sekunden, um mir etwas einfallen zu lassen. Die einzig logische Erklärung für mein Verhalten ist, dass ich mich an
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