Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
könnte – jetzt wo ich den vergangenen Ereignissen direkt ins Gesicht sehe.
Mein Schlafmangel macht sich bemerkbar, also lehne ich meinen Kopf gegen seine Schulter und zeige auf einen Punkt zu meiner Rechten.
»Hier stand Seth, als Taylor ausgerutscht ist.«
Rei sagt etwas, aber so leise, dass das Rauschen des Wasserfalls ihn übertönt.
»Was?« Ich drehe meinen Kopf und sehe zu ihm hoch. Er lehnt sich nach unten, als ob er seine Worte wiederholen wollte. Als er seinen Kopf bewegt, scheint mir die Sonne direkt in die Augen, sodass ich sie schließen muss. In dem Moment spüre ich etwas auf meinen Lippen.
Hmm … ich habe keine echten Vergleichsmöglichkeiten, aber das fühlte sich so an wie ein Kuss.
Ich genieße das Gefühl für einen Moment, bevor ich meine Augen öffne. Er starrt mich mit so einer Intensität an, dass meine Knie weich werden.
»Hast du gerade … war das …?« Ich stolpere über diese einfache Frage. Was, wenn ich unrecht habe? Was, wenn er nur eine Mücke vertrieben hat? Wie dämlich würde ich mich fühlen, wenn ich ihn frage, ob er mich geküsst hat, und seine Antwort Nein ist?
»Es tut mir leid«, entschuldigt er sich schnell. »Ich … ich wollte nicht … «
Ich drehe mich in Reis Umarmung, um ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Aber der Anblick von einem anderen Gesicht, düster und bedrohlich, direkt hinter Rei, lässt mich zusammenzucken. Taylor.
36
Ohne die Begrenzungen des menschlichen Körpers ist Größe vollkommen egal. Ich habe erst vor Kurzem herausgefunden, dass ich mich weit genug strecken kann, um Stifte von Tischen zu schnippen oder auf Reis Tastatur zu tippen. Aber ich habe nie gedacht, dass ich sechs Meter groß werden kann, wenn ich außerhalb meines Körpers bin. Es sieht aus wie ein cooler Trick, den ich auch mal gerne versuchen würde, falls ich je wieder meinen Körper verlasse
sollte
. Aber im Moment sieht es einfach nur furchteinflößend aus, wie sich Taylor über Rei beugt.
»Was zum … « Rei ist alarmiert und hält mich ganz fest. Ich bin eingequetscht wie ein Burrito, als uns plötzlich ein Wirbelwind aus Sand und Blättern umfängt.
»Dieses Mal hast du mich umgebracht!«, ruft sie. »Ich hoffe, du schmorst in der Hölle, Rei Ellis!« Ihre Stimme hört sich an, als würde sie durch ein Papier-Mikrofon sprechen. Es überrascht mich, dass ich sie überhaupt hören kann. Als ich außerhalb meines Körpers war, konnte Rei mich nie verstehen.
Rei legt die Hände über seinen Kopf und schützt uns vor dem Wind. Wie kann sie so stark sein?
Sie macht so viel Wind. Der Sand sticht auf meiner Haut und verfängt sich in meinen Haaren. So schnell, wie es angefangen hat, hört es auch wieder auf. Ich sehe mich vorsichtig um, aber Taylor ist verschwunden.
»Konntest du sie hören?«, frage ich Rei, der vorsichtig Sand aus seinen Augen reibt.
»Nein, du?«
»Ihre Stimme war verzerrt, aber ja, ich konnte sie hören. Das ist komisch.«
»Also, was jetzt?« Er erholt sich gerade von dem Anblick einer überdimensionalen Taylor und er ist ziemlich sauer. »Wird sie uns für den Rest unseres Lebens verfolgen?«
»Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Lass uns zurückgehen.«
Als wir zu Hause ankommen, wedelt meine Mutter mit einem rosa Post-it. »Der Staatsanwalt hat angerufen und wollte wissen, wie es dir geht.«
Ich würde mich über die nette Geste freuen, wenn ich nicht wüsste, wie eilig er es hatte, Seth zu verurteilen. »Okay. Soll ich ihn zurückrufen? Es ist Samstag. Haben diese Leute kein Leben?«
Ich nehme meiner Mutter das Post-it aus der Hand.
»Ich habe ihm gesagt, dass du anrufst, sobald du zurückkommst.«
Rei und ich haben noch nicht darüber geredet, was ich sagen soll. Aber die Wahrheit ist offensichtlich keine Option. Wir müssen uns schnell entscheiden.
»Du erinnerst dich an nichts«, betont Rei. »Du hast deine Erinnerung verloren, als du dir deinen Kopf angeschlagen hast, und deine allergische Reaktion hat deine Erinnerung zurückgebracht. Wie sollst du noch wissen, was du aussagen wolltest?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Vielleicht kann deine Mutter deinen Arzt bitten, dir ein Attest zu schreiben.«
»Das ist kein Problem«, bestätigt meine Mutter.
Ich rufe den Staatsanwalt auf seinem Handy an. Er freut sich ganz und gar nicht über meine Nachricht. »Was meinst du damit: Du kannst dich an nichts aus der letzten Woche erinnern?«, fragt er.
Ich wiederhole meine Geschichte über meinen Gedächtnisverlust, aber er
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