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Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)

Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)

Titel: Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Rosati
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zurück, solange ich ihn nicht finde. Das Verbindungsglied zwischen mir und meinem Körper scheint sich zu lösen. Deshalb war das Ziehen am Wasserfall so stark. Mein innerer Alarm ist losgegangen, und ich war zu sehr damit beschäftigt, Taylors Leiche anzustarren.
    Stopp, Anna
, befehle ich mir selbst.
Denk nach!
    Ich sehe mich im Zimmer um. Der Stuhl klemmt nicht mehr unter dem Türknauf. Die Musik aus meinem Wecker dudelt immer noch leise vor sich hin. Vielleicht ist meine Mutter nach Hause gekommen, konnte mich nicht wecken und hat einen Krankenwagen gerufen. Aber das Ziehen habe ich erst vor ein paar Minuten gespürt. Die Zeit dazwischen war viel zu kurz.
    Im Wohnzimmer sitzt mein Vater in seinem Sessel und starrt den Fernseher an. Er sieht aus, als könne er sich nicht bewegen und erst recht niemand anderen. Ich höre die Toilettenspülung und stolpernde Schritte. Dann geht die Badezimmertür auf.
    Ach du
Scheiße
! Ich sehe mich selbst aus dem Badezimmer kommen, bewegt von einer unbekannten Kraft. Was zur Hölle …? Es ist mein Gesicht, aber mit einem Ausdruck wie aus einem Zombiefilm. Die Augen starren wild in der Gegend herum und der Mund steht offen. Was auch immer mich fortbewegt, muss sich an den Wänden und am Türrahmen festhalten und kann sich nur mühevoll ins Schlafzimmer zurückbewegen. Mein Körper geht zum Tisch. Die Knie knicken mehrmals ein, bevor er sich auf den Schreibtischstuhl fallen lässt. Er scheint überhaupt nicht zu bemerken, dass ich da bin. Sein Arm streckt sich nach meinem rosaroten Vergrößerungsspiegel aus. Ein paar Mal greift er vergeblich danach, bis sich seine Finger endlich um den Griff schließen. Als meine Augen mein Gesicht im Spiegel sehen, gibt mein Mund ein unmenschliches Stöhnen von sich. Es ist meine Stimme, aber irgendetwas ist anders. Der Tonfall ist meiner, doch die Betonung ist eine andere, kommt mir aber irgendwie bekannt vor.
    Dieses Miststück!!!
    Das ist Taylor da drin – in meinem Körper!
    Aber wie kann das sein? Vielleicht hat sie mich vorhin am Wasserfall gesehen. Wahrscheinlich ist sie direkt gestorben, als ihr Kopf das erste Mal auf dem Felsen aufgeschlagen ist. Wenn sie sich in dem Moment von ihrem Körper getrennt hat, könnte sie mich beobachtet haben. Aber eigentlich hätte ich sie dann auch sehen müssen … wenn ich Idiot nicht nur vollkommen gebannt dabei zugesehen hätte, wie ihr Körper den Fluss hinuntergetrieben ist.
    Darüber kann ich mir später noch Gedanken machen. Jetzt muss ich sie erst einmal aus meinem Körper herausbekommen.Ich schwebe zu ihr und sehe ihr in die Augen. Taylor schaut benommen durch mich hindurch. Ich strecke vorsichtig meine ätherische Hand aus, um sie in meine Hand aus Fleisch und Blut zu stecken.
    Die Reaktion folgt sofort. Taylor stößt meine Hand weg – so heftig, dass sie dabei das Gleichgewicht verliert. Der wackelige Stuhl kippt nach vorn und sie kracht mit der Stirn auf den Tisch.
Knack
! Meine gespannten Nerven verstärken das ohrenbetäubende Krachen noch zusätzlich. Ich werde unglaubliche Kopfschmerzen haben, wenn ich wieder in meinem Körper stecke.
    Das Mitleid, das ich am Wasserfall mit Taylor hatte, ist wie weggeblasen, als ich mit voller Kraft gegen meinen Körper ramme.
Wumm
! Es fühlt sich an, als würde ich gegen eine Wand laufen.
Wumm
! Eine ziemlich solide Ziegelwand.
Wumm
!
Wumm
!
Wumm
!
    Das bringt rein gar nichts!
    Sie krümmt sich wimmernd am Boden.
    Ich ramme sie noch einmal mit voller Kraft, aber pralle ab wie ein Tennisball. Taylor bemerkt nicht, wie leise die Tür aufgeht, doch ich schon.
    »Halloooo«, ruft Mum, als sie die Tür aufmacht. Sie sieht, wie Taylor sich am Boden windet wie ein auf dem Rücken liegender Käfer. »Anna? Oh Gott, was ist denn passiert?«
    Meine Mutter ruft mit zitternden Händen 911. Mit Taylor ist nichts los, was nicht eine Kopfschmerztablette, ein bisschen Zeit und ein paar Dehnübungen wieder heilen könnten. Das Allerletzte, was meine Mutter nach zwei Tagen auf einer Tagung brauchen kann, ist das hier. Mein Vater hat sich immernoch kaum bewegt. Nur seine Hand hat er einmal kurz ausgestreckt und mit der Fernbedienung die Lautstärke hochgedreht.
    Ich ziehe mich in eine Ecke zurück und warte auf den Notarzt. Ich versuche, trotz der besorgten Geräusche, die meine Mutter macht, konzentriert nachzudenken.
    Warum ist Taylor nicht ins Licht gegangen? Ich war so sehr damit beschäftigt, auf ihren leblosen Körper zu starren, dass ich kein Licht gesehen habe.

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