Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
Habe ich es übersehen? Vielleicht war die Sonne zu hell. Wird das Licht noch einmal für sie zurückkommen?
Oder vielleicht ist sie nicht willkommen. Vielleicht gibt es für sie gar kein Licht. Kann es sein, dass Menschen, die Handys klauen und sie in Wasserfälle werfen, nicht ins Licht gehen dürfen? Aber wohin kommen diese Menschen dann, wenn sie tot sind?
Taylor ist jedenfalls ganz offensichtlich zu mir nach Hause gekommen und hat meinen Körper gekidnappt.
Ich weiß, dass es mehrere Dimensionen gibt. Die weltliche Dimension hier auf der Erde und die astrale Dimension, in der ich reise, wenn ich meinen Körper verlasse. Und dann gibt es da wahrscheinlich noch eine weitere Dimension, in die die Toten reisen, die in das Licht gegangen sind. Aber ich bin nicht tot, also bin ich nie dort gewesen.
Wenn ich absichtlich meinen Körper verlasse und in der astralen Dimension reise, kann ich mich später an das, was ich gesehen und getan habe, erinnern. Ab und zu sind in der Dimension auch andere Menschen, aber die meisten sind nicht tot. Viele Menschen verlassen ihren Körper, wenn sie träumen.Das passiert nicht rational. Sie treffen in ihren Träumen andere Menschen, die gerade andere Träume haben. Das Ganze verschwimmt später zu einem Chaos und bleibt als intensiver Traum in Erinnerung oder man erinnert sich gar nicht mehr. Andere Schüler haben mir manchmal erzählt: »Oh mein Gott, Anna. Letzte Nacht hatte ich den seltsamsten Traum und du bist darin vorgekommen.« Und ich sage dann: »Wow, das ist
wirklich
verrückt.«
Aber es war gar kein Traum. Ich bin ihnen in der Nacht begegnet. Ab und zu sehe ich auch jemanden, der tot ist und nicht in das Licht gegangen ist. Auch die Toten haben eine Aura. Aber sie ist blasser als bei Lebenden. Ich gebe mich nicht gerne mit ihnen ab, besonders wenn man ihre Farbe nicht erkennen kann.
Taylor und meine Mutter sind im Krankenhaus. Die Ärzte machen mit ihr verschiedene Tests, einen Computer-Scan und eine Blutuntersuchung. Leider gibt es keinen Test für die Inbesitznahme durch fremde Seelen. Der Doktor diagnostiziert eine Gehirnerschütterung,
oushikuso
würde Rei das nennen. Taylor gewöhnt sich langsam an meinen Körper. Ihre Sprache und ihre Bewegungen sind immer noch langsam, aber schon viel besser als vorher. Sie und meine Mum werden nach Hause geschickt. Taylor bekommt Schmerzmittel und meine Mum die Anweisung, Taylor alle paar Stunden aufzuwecken.
Meine Mutter ist mit ihrem Auto hinter dem Krankenwagen hergefahren. Jetzt fährt sie Taylor nach Hause. Während der Fahrt schlüpfe ich auf den hinteren Sitz und höre den besorgten Fragen meiner Mutter zu. Taylor murmelt ausweichend vorsich hin. Meine Mutter denkt wahrscheinlich, dass ich wegen der Gehirnerschütterung benebelt bin. Aber ich frage mich, wie Taylor später zurechtkommen will. Wie kann sie verheimlichen, dass sie kaum etwas von mir weiß? Ich glaube, sie kennt nicht mal meinen Nachnamen. Denkt sie, dass sie einfach in mein Leben spazieren kann und keiner es merkt? Ich versuche mir meinen Körper in einem von Taylors Outfits vorzustellen und muss kichern.
Zu Hause setzt Mum sich an mein Bett, streichelt mein Haar und macht ein Riesen-Tamtam. Taylor starrt mit meinen Augen benebelt in die Luft. Sie ignoriert meine Mutter, schließt die Augen und will nur noch schlafen. Meine Mutter deckt sie zu. Kurz danach höre ich leises Schnarchen. Seit wann schnarche ich?
Meine Mutter sieht schrecklich besorgt aus. Wenn sie auch nur die halbe Wahrheit wüsste, würde sie vollkommen ausflippen! Sie macht das Licht aus, schließt die Schlafzimmertür und lässt Taylor und mich im Dunkeln zurück.
Ich nähere mich dem Bett und sehe zu, wie sich der dunkle Haufen unter der Decke hebt und senkt. Jetzt passt sie vielleicht nicht mehr so sehr auf und ich kann in meinen Körper zurück. Ich strecke einen Finger aus und berühre meine Wange. Sie verzieht das Gesicht, aber wacht nicht auf. Ich umrunde das Bett und lege mich neben sie. Über der Matratze schwebend, versuche ich mich in meinen Körper zu rollen. Doch wieder treffe ich auf eine solide Wand, die irritiert grunzt.
Ich lehne mich ganz nahe an ihr Ohr. »Taylor Gleason.« Ich weiß, dass sie mich nicht hören kann, aber ich muss es trotzdem sagen. »HAU AB!«
Schnarchen.
Ich verbringe die kommende halbe Stunde mit dem Versuch, in meinen Körper zu gelangen. Weder Schieben noch Drücken oder Pressen hilft. Sie scheint undurchdringlich zu sein und ich bin
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