Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
nicht, dass er sein Handy zurückbekommen hat. Ich frage mich, wo er hin ist.«
Taylor erstarrt einen kurzen Moment und dreht sich dannlangsam zu Rei. »Du meinst, nachdem er Taylor Gleason umgebracht hat?«
Rei starrt sie an. »Wovon redest du?«
»Ich habe gesehen, wie er sie getötet hat.« Taylor sitzt kerzengerade da und redet mit heiserer Stimme. »Ich bin zum Wasserfall gegangen und habe gesehen, wie dein Freund Seth Taylor vom Felsvorsprung in den Wasserfall geschubst hat. Er hat sie einfach runtergestoßen. Sie ist tot. Wusstest du das?« Sie durchbohrt ihn förmlich mit ihren Blicken.
Reis Mund steht weit offen. »Was? Nichts, was du sagst, macht Sinn,
Anna
. Seth würde nie … «
»Nie was … einen Mord begehen? Ich hab alles gesehen.« Sie redet jetzt mehr mit sich selbst als mit Rei. »Ich muss die Polizei anrufen! Ich muss mit meinen Eltern reden. Ich bin eine Augenzeugin.«
»Anna, was redest du da?« Rei legt ihr die Hand auf die Schulter und dreht ihr Gesicht in seine Richtung. »Du hast gerade selber gesagt, dass du keine Erinnerung mehr hast. Du weißt noch nicht mal deinen eigenen Namen.«
Ihre Aura nimmt die Farbe dunkler Ziegel an und sie schlägt seine Hand weg.
»Aber daran erinnere ich mich ganz genau!«
11
Rei verabschiedet sich von meiner Mutter, als sei alles in bester Ordnung. Aber sobald er aus der Tür heraus ist, rennt er so schnell er kann, um seine Wut loszuwerden. Zu Hause schleudert er seine Turnschuhe von seinen Füßen, verschwindet im Haus und knallt die Tür hinter sich zu.
Ich habe Rei noch nie wütend gesehen. Und schon gar nicht wütend auf mich. Ich wünschte, ich könnte das Ganze wieder in Ordnung bringen. Vielleicht ist es meine eigene Dickköpfigkeit oder die Tatsache, dass ich schuld an dem ganzen Schlamassel bin, aber ich finde es furchtbar, dass Rei sich jetzt Sorgen macht. Jetzt weiß ich, dass Taylor nicht nur Seth für ihren Tod verantwortlich machen, sondern auch noch mich als die Hauptzeugin benutzen will. Wenn ich in meinen Körper zurückkomme, kann ich Seth entlasten.
Aber wie soll ich das schaffen? Ich habe es mit Gewalt versucht und ich habe höflich gefragt, aber nichts hat funktioniert. Es ist höchste Zeit, dass ich meinen Stolz herunterschlucke und zugebe, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe, und um Hilfe bitte.
Die Garagentür öffnet sich quietschend und Rei kommt heraus. Er trägt ein paar alte, zerrissene Jeans und ein Paar schlammige Arbeitsstiefel. Über seiner nackten Schulter liegt eine Schaufel. Er geht direkt auf mich zu. Er kann mich im Moment also nicht sehen. Das ist gut, denn ich starre ihn geradeziemlich unverhohlen an. Im Vorgarten wartet ein kleines Bachblütenbäumchen darauf, eingepflanzt zu werden. Yumi hat es zum Muttertag geschenkt bekommen.
Ich könnte mich jetzt einfach sichtbar machen und irgendwie versuchen, Rei zu erzählen, was passiert ist, aber er sieht gerade ziemlich beschäftigt aus. Er fängt an zu graben, dabei stützt er sich mit aller Kraft auf die Schaufel, bis sie durch den schweren Boden dringt. Das Gras ist ziemlich dicht und die dicken Klumpen geben ein verärgertes Zischen von sich. Das Geräusch scheint Rei zu beruhigen. Als er einen großen Kreis Erde frei gebuddelt hat, ist sein Atem ruhiger und sein Gesichtsausdruck hat sich ein bisschen entspannt. Er bemerkt mich nicht. Also bin ich anscheinend immer noch unsichtbar. Ich schwebe neben der Gartentür und sehe ihm beim Graben zu. Erde und Steine landen Schaufel um Schaufel auf einer Plane. Zuerst lockert er die größeren Steine mit der Kante der Schaufel und dann wirft er sie in das Gestrüpp, das unsere Häuser voneinander trennt. Mit einem besonders großen Steinbrocken kämpft er über fünf Minuten. Mit einem befriedigten Gesichtsausdruck befördert er ihn schließlich in die Büsche. Als er den Baum gepflanzt hat und seine Wurzeln tief in der Erde stecken, ist er über und über mit Schweiß und Erde bedeckt, und … ja, okay ich gebe es zu: Ich finde ihn heiß. Ein ganz kleines bisschen.
Er schultert die Schaufel und den zusammengerollten Schlauch und geht zur Garage zurück. Sein Gesichtsausdruck ist vollkommen neutral, bis er an der Gartentür vorbeikommt, wo er ruckartig stehen bleibt und direkt in meine Richtung schaut. Oh, oh! Jetzt sieht er wieder wütend aus.
»Anna!«, ruft er abrupt.
Meine erste Reaktion ist, so schnell in den Schutz der Fichte zu verschwinden, dass es so aussieht, als hätte ich mich in nichts
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