Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
sieht besorgt aus, aber nicht überrascht. Im Gegensatz zu Rei hat er von den Gerüchten gehört. Der kleinere, glatzköpfige Polizist zieht einen Block aus seiner Jackentasche und zeigt dem Rektor eine Seite. Auf der Seite stehen die Namen von Taylors Freundinnen. Der Rektor notiert sie sich auf einem gelb linierten Blatt Papier und drückt einen Knopf. Eine Sekretärin erscheint in der Tür.
»Ja, Mr. Bowers?«
Er überreicht ihr die Liste. »Bitte holen Sie diese Schüler in mein Büro.«
Ich folge der Sekretärin in die Cafeteria, wo Taylors Freundinnen wie immer an ihrem Tisch beim Fenster sitzen.
Keine von ihnen ist überrascht, als die Sekretärin auf sie zukommt. Sie sehen sich vielsagend an, stehen ganz ruhig auf und folgen ihr auf den Gang.
Im Vorraum zum Büro tuscheln sie miteinander. Alle erzählen die gleiche Geschichte, als hätten sie sich abgesprochen. Taylor wollte Seth gestern um vier Uhr am Wasserfall treffen und seitdem haben sie nichts mehr von ihr gehört. Sie geht auch nicht an ihr Handy. Ihre Mutter hat jede einzelne von ihnen gestern Nacht angerufen, aber sie konnten ihr nicht sagen, wo sie ist. Ob sie eine Beziehung mit Seth Murphy hatte? Sie mochte ihn, aber er war gemein zu ihr. Inwiefern gemein? Er hat sie ignoriert und sie böse angesehen. Er hat sich woanders hingesetzt, wenn sie sich neben ihn gesetzt hat. Manchmal hat er sie auch angeschrien. Sie lassen die Geschichte von dem gestohlenen Handy aus und erzählen auch nicht, dass sie ihn mit der Notiz an seinem Spind zu dem Treffen gezwungen hat. Cori Schneider knallt während der gesamten Befragung ungeduldig mit ihrem Kaugummi.
Gegen ein Uhr hört es auf zu regnen. Die Sonne kommt heraus und trocknet den Schlamm. Um drei Uhr biegt Rei überraschend mit dem Auto seiner Eltern in seine Einfahrt ein. Saya muss bei Freunden sein, denn sobald Rei seinen Rucksack fallen gelassen hat, wählt er mit seinem Handy meineFestnetznummer. Meine Mum hebt ab. »Sicher, komm her. Sie kann Gesellschaft gebrauchen.«
Ich verstecke mich vorsichtshalber hinter Pflanzen und Türen. Ich nutze alles Mögliche als Versteck und fühle mich wie eine Schlange, die sich in jede noch so kleine Ritze zwängt. Bei mir daheim bereitet meine Mutter Taylor auf Reis Besuch vor. Taylors Augen werden schmal, aber sie steht langsam auf, geht ins Bad, spritzt sich ein bisschen Wasser ins Gesicht, kämmt ihre Haare und putzt ihre Zähne. Angewidert sieht sie meine Zahnbürste an – als ob sie beim Putzen eine furchtbare Krankheit bekommen könnte. Während sie sich auf das Waschbecken lehnt, betrachtet sie mein Spiegelbild.
»Mädchen, du brauchst wirklich ein Make-over.« In den gleichen Shorts und dem T-Shirt , in dem Rei mich letzte Nacht gesehen hat, geht sie raus und setzt sich auf die Treppe. Ich sehe, wie Rei den Weg zwischen unseren Gärten entlangkommt.
»Hi!«, ruft er lange bevor er den kleinen Flecken Gras erreicht hat, den wir Vorgarten nennen.
»Hi«, ruft sie argwöhnisch.
»Wie fühlst du dich?«
»Mein Kopf bringt mich um«, sagt sie. Dabei klingt sie vorwurfsvoll, so als sei es vollkommen offensichtlich, dass sie Kopfschmerzen hat und er ein Idiot ist, weil er das noch nicht bemerkt hat.
»Ich dachte, du bist erkältet oder so.« Er erreicht die Stufen und sieht sehr besorgt aus. »Was ist mit deinem Kopf?«
»Hat sie dir nicht gesagt, dass ich eine Gehirnerschütterung habe?«
»Nein! Wie ist das passiert?«
»Ich bin von diesem beschissenen Stuhl gefallen und habe mir meinen Kopf an der Tischkante gestoßen.«
Seine Überraschung über ihre Ausdrucksweise ist für einen Moment stärker als seine Sorge. Dann sagt er schließlich zögernd: »Zeig mir, wo du dich gestoßen hast.«
Taylor bewegt ihre Hand an den Kopf und fährt sich durch ihr Haar. Zuerst zeigt sie auf die Stelle, an der ihr Kopf gestern auf den Felsen geprallt ist, und dann erst zur anderen Seite, wo sie gegen den Tisch gestoßen ist. »Schau, hier war es.«
Rei streckt die Hand aus und berührt sie leicht. »Hier?«
»Aua!«
Rei zieht seine Hand zurück. »Entschuldige. Ich habe versucht, vorsichtig zu sein. Tut es so weh?«
»Ja!«, bestätigt sie und wirft sich ihr Haar über ihre Schulter. Mit meinen Haaren sieht das allerdings nur halb so gut aus wie mit ihren.
»Und der Arzt sagt, dass es eine Gehirnerschütterung ist? Was sollst du denn dagegen tun?«
»Mich ausruhen. Sie haben mir Ibuprofen gegeben. Es bringt rein gar nichts. Sie«, Taylor zeigt mit dem Kopf
Weitere Kostenlose Bücher