Aurora
– und statt dessen einen Salut erhielt, der gerade lässig genug war, um beleidigend zu wirken. Und was die zwei Männer von Kretow anging, so machten sie sich nicht einmal die Mühe, seine Ankunft zur Kenntnis zu nehmen. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ein kleines Arsenal von der Ladefläche eines der Jeeps herunterzuholen – Reservemagazine für ihre Sturmgewehre, Pistolen, Leuchtraketen und ein altes RP-46- Maschinengewehr mit Patronengurten und einem metallenen Zweibein.
»Also, womit rechnen Sie hier, Major?« sagte Suworin so freundlich, wie er konnte. »Mit einem kleinen Krieg?«
»Darüber können wir unterwegs sprechen.«
»Ich möchte es aber jetzt gleich wissen.«
Kretow zögerte. Ganz offensichtlich hätte er Suworin am liebsten gesagt, er solle sich zum Teufel scheren, aber sie hatten den gleichen Rang, und außerdem wußte er wahrscheinlich noch nicht so recht, was er von diesem Zivilsoldaten in der teuren westlichen Kleidung zu halten hatte. »Also, dann schnell.« Er schnippte mit den Fingern gereizt in die Richtung des schlaksigen jungen Mannes von der Miliz. »Sagen Sie ihm, was passiert ist.«
»Und Sie sind wer, bitte?« sagte Suworin.
Der Mann von der Miliz stand stramm. »Leutnant Korf, Major.«
»Also, Korf?«
Der Leutnant erstattete schnell und sichtlich nervös seinen Bericht.
Kurz nach Mittag sei die Miliz von Archangelsk von der Moskauer Zentrale informiert worden, daß sich zwei Ausländer vermutlich in der Stadt oder ihrer Umgebung aufhielten und versuchten, mit einer Person oder mehreren Kontakt aufzunehmen, die Safanow oder Safanowa hießen. Er habe die Ermittlungen selbst vorgenommen. Nur auf eine einzige derartige Person hätten die Angaben gepaßt: die Zeugin Wawara Safanowa – er zeigte auf die alte Frau –, die neunzig Minuten nach Eintreffen des Fernschreibens aus Moskau ausfindig gemacht worden war. Sie habe bestätigt, daß zwei Ausländer sie besucht und sie kaum eine Stunde zuvor wieder verlassen hätten.
Suworin lächelte Wawara Safanowa freundlich an. »Und was konnten Sie ihnen erzählen, Genossin Safanowa?«
Sie schaute auf die Erde.
»Sie hat ihnen erzählt, daß ihre Tochter tot ist«, warf Kretow ungeduldig ein. »Ist im Kindbett gestorben, vor fünfundvierzig Jahren. Hat ein Kind geboren, einen Jungen. Können wir jetzt endlich losfahren? Ich habe das alles schon aus ihr herausgeholt.«
Ein Junge, dachte Suworin. Etwas anderes käme ja auch nicht in Frage. Ein Mädchen wäre belanglos gewesen. Aber ein Junge. Ein Erbe…
»Und der Junge ist am Leben geblieben?«
»Ist im Wald aufgewachsen, sagt sie. Wie ein Wolf.«
Suworin wendete sich widerstrebend von der stummen alten Frau ab und wieder dem Major zu. »Und Kelso und O’Brian sind jetzt unterwegs in den Wald, um diesen ›Wolf‹ zu finden?«
»Sie haben ungefähr drei Stunden Vorsprung.« Kretow breitete auf der Haube des am nächsten stehenden Jeeps eine Karte großen Maßstabs aus. »Das ist die Straße«, sagte er. »Es gibt keine Rückkehrmöglichkeit außer auf der Strecke, die sie gefahren sind, und der Schnee wird sie aufhalten. Keine Sorge. Bis zum Dunkelwerden haben wir sie.«
»Und wie erreichen wir sie? Können wir einen Hubschrauber einsetzen?«
Kretow zwinkerte einem seiner Männer zu. »Ich habe den Eindruck, der Major aus Moskau hat sich noch nicht hinreichend mit unserem Terrain vertraut gemacht. In der Taiga herrscht ein gewisser Mangel an Hubschrauber-Landeplätzen.«
Suworin bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Und wie kommen wir sonst hin?«
»Mit dem Schneepflug«, sagte Kretow, als läge das auf der Hand. »In der Kabine haben gerade vier Mann Platz. Oder drei, wenn Sie es vorziehen, sich Ihre hübschen Schuhe nicht naß zu machen.«
Wieder konnte sich Suworin gerade noch beherrschen. »Und wie sieht der Plan aus? Wir räumen den Weg, damit sie hinter uns in die Stadt zurückfahren können, ja?«
»Falls es sich als erforderlich erweisen sollte.«
»Falls es sich als erforderlich erweisen sollte«, wiederholte Suworin langsam. Jetzt begann er zu verstehen. Er schaute dem Major in die kalten grauen Augen, dann betrachtete er die beiden MWD-Leute, die inzwischen mit dem Entladen des Jeeps fertig waren. »Was seid ihr Leute heutzutage? Todesschwadronen? Wollt ihr hier oben ein bißchen Südamerika spielen?«
Kretow faltete die Karte zusammen. »Wir müssen unverzüglich losfahren.«
»Ich muß mit Moskau sprechen.«
»Wir haben bereits mit Moskau
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