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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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den Kopf. Speznaz. Kommandos. Alphabrigade. Killer. »Wer hat die in Marsch gesetzt?«
    Als ob er es nicht wüßte.
    »Raten Sie mal«, sagte Arsenjew.
    »Und war Seine Exzellenz wie gewöhnlich betrunken? Oder war es einer seiner seltenen nüchternen Momente?«
    »Hüten Sie Ihre Zunge, Major!« sagte Arsenjew scharf.
    Der schwere Dieselmotor des Schneepflugs sprang an und kam auf Touren, ließ die Doppelfenster erzittern und übertönte für kurze Zeit Arsenjews Stimme. Große gelbe Scheinwerfer wendeten und strahlten den Schnee an, dann bewegten sie sich schwerfällig über das Vorfeld auf Suworin zu.
    »Also, wie genau lauten meine Befehle?«
    »Handeln, wie Sie es für richtig halten, unter Anwendung aller erforderlichen Gewalt.«
    »Aller wozu erforderlichen Gewalt?«
    »Was immer Sie für richtig halten.«
    »Und was ist das?«
    »Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich verlasse mich auf Sie, Major. Ich übertrage Ihnen hiermit vollständige Handlungsfreiheit…«
    Oh, er war ein gerissener Bursche. Der gerissenste, den man sich überhaupt vorstellen konnte. Einer, der immer überlebte. Suworin verlor die Beherrschung.
    »Und wie viele Leute sollen wir umbringen, Oberst? Einen Mann? Zwei? Drei?«
    Arsenjew machte auf schockiert, als wäre er zutiefst entrüstet. Wenn die Aufzeichnung des Anrufs je abgespielt werden würde – was am folgenden Tag auch der Fall sein sollte –, dann würde jedermann hören können, was er gesagt hatte. »Niemand hat etwas von Umbringen gesagt, Major! Hat jemand da oben so etwas gesagt? Habe ich es getan?«
    »Nein, das haben Sie nicht«, sagte Suworin, der in sich ein derartiges Ausmaß an Sarkasmus und Bitterkeit entdeckte, dessen er sich bisher nicht für fähig gehalten hatte. »Also bin offensichtlich ich allein verantwortlich für das, was immer auch passieren mag. Ich habe von meinen Vorgesetzten keinerlei Anweisungen erhalten. Und der tüchtige Major Kretow bestimmt auch nicht!«
    Arsenjew wollte etwas sagen, aber seine Stimme ging im erneuten Aufdröhnen des Motors unter. Der Schneepflug war jetzt bis fast an das Fenster herangekommen. Seine Schaufel hob und senkte sich wie eine Guillotine. Suworin konnte Kretow auf dem Fahrersitz sehen, der sich mit dem Finger über die Kehle fuhr. Er hupte. Suworin winkte gereizt und drehte ihm dann den Rücken zu. »Bitte, sagen Sie das noch einmal, Oberst.« Aber die Leitung war tot, und alle Versuche, die Verbindung wiederherzustellen, scheiterten. Und das war das Geräusch, das Suworin hinterher nicht wieder richtig loswerden konnte, als er eingekeilt auf dem Klappsitz des Schneepflugs saß, der in den Wald losstürmte: das kalte, unerbittliche Brummen eines Anschlusses, der nicht erreichbar war.

28. Kapitel
    Es hatte aufgehört zu schneien und war jetzt viel kälter schätzungsweise drei oder vier Grad unter Null. Kelso setzte seine Kapuze auf und strebte, so schnell er konnte, dem Rand der Lichtung zu. Vor ihm, zwischen den Bäumen, blühten alle fünfzig Meter die gelben Notizzettel in dem verschneiten Unterholz auf wie Winterblumen.
    Es war nicht leicht gewesen, aus der Hütte herauszukommen. Als er dem Russen gesagt hatte, sie müßten zu ihrem Wagen zurückkehren – »nur, um noch ein paar Sachen zu holen, Genosse«, hatte er schnell hinzugesetzt –, hatte dieser mit einem derart argwöhnischen Blick reagiert, daß Kelso beinahe der Mut verlassen hätte. Aber irgendwie war es ihm gelungen, dem Blick des Mannes standzuhalten, und schließlich, nach einem weiteren forschenden Blick, war ihm mit einem kurzen Nicken die Erlaubnis erteilt worden. Und selbst dann hatte O’Brian noch herumgetrödelt – »eigentlich könnten wir noch eine Aufnahme von dort drüben aus machen…«-, bis Kelso ihn am Ellenbogen gepackt und auf die Tür zugeschoben hatte. Der Russe paffte an seiner Pfeife und beobachtete sie.
    Kelso konnte hören, wie O’Brian heftig schnaufend hinter ihm her stolperte, blieb aber erst stehen, damit O’Brian aufholen konnte, nachdem sie außer Sichtweite der Hütte waren.
    »Haben Sie das Notizbuch?« sagte O’Brian. Kelso klopfte auf seine Jacke. »Hier drin.«
    »Gut gemacht«, sagte O’Brian. Er vollführte einen kleinen Siegestanz im Schnee. »Himmel, das ist eine Story, was? Das ist eine grandiose Story.«
    »Eine grandiose Story«, wiederholte Kelso, aber er wollte jetzt nur noch verschwinden. Er stapfte wieder los, aber jetzt so schnell, daß seine Beine vom angestrengten Stapfen durch den Schnee

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