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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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schmerzten.
    Sie gelangten auf die Piste, und da stand der Toyota, rund hundert Meter entfernt, in einer gut drei Zentimeter dicken weißen Hülle, die hinten, in Windrichtung, noch dicker war. Als sie näher herangekommen waren, konnten sie sehen, daß der Schnee auf der Oberfläche zu Eis kristallisierte. Der Wagen war immer noch vornüber gekippt, seine Hinterräder ragten fast aus dem Schnee heraus, und es dauerte eine Weile, bis sie festgestellt hatten, was alles kaputt war. Der Russe hatte drei Kugeln in den Wagen gefeuert. Eine hatte das Schloß der Heckklappe abgerissen. Die zweite hatte die Fahrertür geöffnet. Die dritte war durch die Haube in den Motor gegangen, vermutlich, um die Alarmanlage zum Schweigen zu bringen.
    »Dieses verrückte Arschloch«, sagte O’Brian und starrte auf die häßlichen Löcher. »Diese Karre hat vierzigtausend Dollar gekostet…«
    Er zwängte sich hinters Lenkrad, steckte den Zündschlüssel ins Schloß und drehte ihn. Nichts. Nicht einmal ein Klicken.
    »Kein Wunder, daß er nichts dagegen hatte, daß wir zu unserem Wagen zurückgehen«, sagte Kelso leise. »Er hat gewußt, daß wir nicht abhauen können.«
    Jetzt war O’Brian wieder Besorgnis anzusehen. Er mühte sich aus dem Wagen heraus und versank tief in der Schneewehe. Er bahnte sich seinen Weg nach hinten, hob die Heckklappe an und stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus, wobei er eine große Atemwolke in die kalte Luft strömen ließ.
    »Immerhin sieht es so aus, als hätte er das Inmarsat nicht beschädigt, Gott sei Dank. Wenigstens etwas.« Er schaute sich stirnrunzelnd um.
    »Und was nun?« sagte Kelso.
    »Bäume«, murmelte O’Brian.
    »Bäume?«
    »Ja. Der Satellit kreist nicht direkt über unseren Köpfen. Sie erinnern sich doch? Er ist über dem Äquator. So hoch im Norden bedeutet das, daß man die Schüssel in einem ganz niedrigen Winkel ausrichten muß, um ein Signal senden zu können. Bäume, wenn sie in unmittelbarer Nähe stehen – also, die sind einem gewissermaßen im Wege.« Er drehte sich zu Kelso um, und in diesem Augenblick hätte Kelso ihn ermorden können – allein wegen des nervösen, schafsmäßigen Grinsens auf seinem großen, gutaussehenden, dämlichen Gesicht. »Wir brauchen freies Gelände, Fluke. Tut mir leid.«
    Freies Gelände?
    Ja. Freies Gelände. Sie mußten auf die Lichtung zurückkehren.
    O’Brian bestand darauf, daß sie den Rest seiner Ausrüstung mitnahmen. Kelso hatte dem Russen gegenüber behauptet, daß sie das vorhätten, und schließlich wollten sie ihn nicht argwöhnisch machen. Außerdem denke er nicht daran, elektronische Geräte im Wert von über hunderttausend Dollar in einem zusammengeschossenen Toyota mitten in der Wildnis zurückzulassen. Er würde das Zeug nicht aus den Augen lassen.
    Und so stapften sie auf der Piste zurück. O’Brian ging voraus. Er trug das Inmarsat und den schwereren der beiden Koffer; außerdem hatte er sich die in schwarze Plastikfolie eingeschlagene Batterie des Toyotas unter den Arm geklemmt. Kelso hatte den Kamerakoffer und das Laptop-Schneidegerät und gab sich alle Mühe, mit O’Brian Schritt zu halten, aber das Gehen war überaus mühsam. Die Arme taten ihm weh. Der Schnee zog ihn runter. Bald war O’Brian in den Wald abgebogen und außer Sichtweite, und Kelso mußte es sich verkneifen, das verdammt schwere Schneidegerät ab und an von einer Hand in die andere zu wechseln, um O’Brian nicht zu verlieren. Er schwitzte und fluchte. Zwischen den Bäumen stolperte er über eine verborgene Wurzel und fiel auf die Knie.
    Als er endlich auf der Lichtung angelangt war, hatte O’Brian bereits die Satellitenschüssel mit der Batterie verbunden und versuchte, sie in die richtige Richtung zu drehen. Die Spitze der Antenne war genau auf die verschneiten Wipfel von ein paar großen, ungefähr fünfzig Meter entfernten Tannen gerichtet. O’Brian saß in der Hocke davor, mahlte nervös mit dem Kiefer, hielt den Kompaß in der einen Hand und betätigte mit der anderen irgendwelche Schalter. Jetzt schneite es fast überhaupt nicht mehr, und in der eiskalten Luft lag eine leichte Bläue. Hinter ihm, von den Schatten der Bäume gerahmt, war die graue Holzhütte – völlig still, allem Anschein nach verlassen, wenn man von dem dünnen Rauchfaden absah, der aus seinem engen Eisenschornstein quoll.
    Kelso ließ die Koffer fallen, beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und rang nach Atem.
    »Was erreicht?« fragte

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