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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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behandschuhten Hand eine Hackgeste in Richtung Wald, und sie setzten sich wieder in Bewegung: Kretow voran mit dem Sturmgewehr im Anschlag. Er drehte sich im Gehen um, duckte sich abwechselnd in die eine und die andere Richtung, ständig bereit, einen Kugelhagel auf die Bäume abzufeuern; dann folgte der eine Soldat und dann der andere, beide ebenso auf der Hut, mit Gesichtern, die in den Hauben wie Totenschädel aussahen. Und als letzter kam Suworin in Zivil – stolpernd, immer wieder ausrutschend, in jeder Hinsicht ein absurder Anblick.
    Ganz ruhig machte der Russe die Tür zu und ergriff sein Gewehr. Er zog eine Holzkiste unter dem Tisch hervor und füllte seine Taschen mit Patronen. Auf die gleiche, gelassene Art klappte er den Teppich zurück, öffnete die Falltür und sprang wie eine Katze in die Tiefe.
    »Wir stehen für den Frieden und kämpfen für die Sache des Friedens«, sagte er. »Aber wir haben keine Angst vor Drohungen und sind darauf vorbereitet, den Kriegshetzern jeden Schlag heimzuzahlen. Denjenigen, die uns angreifen, werden wir eine vernichtende Abfuhr erteilen, die sie lehrt, ihre Schweineschnauzen nicht in unseren sowjetischen Garten zu stecken. Legt den Teppich wieder hin, Genossen.«
    Er verschwand und zog die Falltür hinter sich zu.
    O’Brian starrte zuerst die Dielenbretter an und dann Kelso.
    »Was zum Henker…?«
    »Und wo zum Teufel haben Sie so lange gesteckt?« Kelso griff nach der Mappe und verstaute sie schnell wieder in seiner Jacke. »Egal«, sagte er. »Lassen Sie uns nur ganz schnell von hier verschwinden.«
    Aber noch bevor sich einer von ihnen rühren konnte, erschien ein Totenschädel am Fenster der Hütte – zwei runde Augen und ein Schlitz für den Mund. Ein Stiefel trat gegen Holz. Die Tür zersplitterte.
    Sie mußten sich an die Wand stellen – wurden gegen die rauhen Planken gestoßen –, und Kelso spürte kaltes Metall, das sich in sein Genick bohrte. O’Brian bewegte sich ein bißchen zu langsam, also wurde seine Stirn an die Planken geknallt, nur um ihm bessere Manieren und ein bißchen Russisch beizubringen.
    Ihre Hände wurden mit dünnem Plastik hinter ihrem Rücken gefesselt.
    »Wo ist der andere?« sagte einer der Männer grob. Er hob den Kolben seines Gewehrs.
    »Unter dem Fußboden!« brüllte O’Brian. »Fluke, sagen Sie ihnen, daß er unter dem Fußboden ist!«
    »Er ist unter dem Fußboden«, sagte eine gebildete Stimme auf russisch, die Kelso bekannt vorkam.
    Schwere Stiefel stapften über den Holzboden. Kelso drehte den Kopf und sah, wie einer der maskierten Männer ein paar Schritte zurückging, sein Gewehr auf den Boden richtete und in aller Seelenruhe zu feuern begann. Kelso zuckte zusammen; in dem engen Raum war der Lärm ohrenbetäubend, und als er wieder hinschaute, ging der Mann weiter rückwärts und durchsiebte den Boden mit säuberlichen Reihen von Kugeln, und die Waffe ruckte in seiner Hand wie ein Preßlufthammer. Holzspäne flogen herum, prallten von den Wänden ab, und Kelso spürte, wie ihn etwas am Kopf traf, direkt unter dem Ohr. Blut rieselte seinen Hals hinunter. Er drehte den Kopf zur anderen Seite und drückte die Wange an die Wand. Der Lärm hörte auf, das Klicken vom Einlegen eines frischen Magazins ertönte, dann hob der Lärm abermals an, dann hörte er wieder auf. Etwas stürzte krachend zu Boden. Es stank nach Kordit, beißender Rauch zwang ihn, die Augen fest zu schließen, und als er sie wieder öffnete, sah er den blonden Spion aus Moskau. Der Spion schüttelte angewidert den Kopf.
    Der Mann, der geschossen hatte, stieß den zerfetzten Teppich mit einem Fußtritt beiseite und öffnete die Falltür. Er leuchtete mit einer Taschenlampe in den aufsteigenden Staub hinunter, dann kletterte er in das Loch und verschwand. Nach dreißig Sekunden tauchte er an der Tür der Hütte wieder auf und zog seine Maske vom Kopf.
    »Da ist ein Tunnel. Er ist uns entwischt.«
    Er zog eine Pistole und gab sie dem blonden Mann.
    »Bewachen Sie sie.«
    Dann bedeutete er den beiden anderen Männern, daß sie ihm folgen sollten, und sie trampelten hinaus in den Schnee.

30. Kapitel
    Suworin fühlte sich naß. Er schaute an sich herunter und sah, daß er in einer Pfütze aus geschmolzenem Schnee stand. Seine Hose war durchweicht, ebenso der Saum seines Mantels. Ein Stück ausgefranstes Seidenfutter hing bis auf den Boden herunter. Und seine Schuhe – seine Schuhe waren undicht und verschrammt –, sie waren ruiniert.
    Einer der beiden

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