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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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noch herausfinden, was für eine Art von Humbug es ist.«
    Adelman schüttelte den Kopf. »Das hat mit Geschichte nicht mehr viel zu tun, Kelso…«
    Kelso deutete quer durch den Saal. »Hat das hier etwa was damit zu tun?« Plötzlich war das Klingeln eines Messers zu hören, das gegen ein Glas geschlagen wurde, und Askenow stemmte sich mühsam hoch. Hände trommelten beifällig auf die Tische.
    »Kollegen«, begann Askenow.
    »Ich möchte keine Chance ungenutzt lassen, Frank«, sagte Kelso leise. »Wir sehen uns morgen.«
    Er befreite sich sanft aus Adelmans Griff und strebte auf den Ausgang zu. Er schaute sich nicht um. Die Garderobe war neben den Toiletten, die an den Speisesaal angrenzten. Er gab seine Marke ab, legte ein Trinkgeld auf den Tresen, nahm seinen Mantel entgegen und war gerade dabei, ihn anzuziehen, als er am Ende des zum Foyer führenden Korridors einen Mann sah. Der Mann schaute nicht in seine Richtung. Er wanderte auf dem Korridor hin und her und sprach in ein Mobiltelefon. Wenn Kelso ihn von vorn gesehen hätte, dann hätte er ihn wahrscheinlich nicht wiedererkannt, und alles wäre dann ganz anders gekommen. Aber im Profil war die Narbe an der Seite des Gesichts unverwechselbar. Das war einer der Männer, die in dem Wagen vor Mamantows Wohnung gesessen hatten.
    Durch die geschlossene Tür hinter sich konnte Kelso Gelächter und Applaus hören. Er wich, ohne die Augen von dem Mann zu lassen, zurück, bis er den Türgriff spüren konnte, dann drehte er sich um und betrat rasch wieder das Restaurant.
    Askenow stand immer noch da und redete. Er brach ab, als er Kelso sah. »Dr. Kelso«, sagte er, »scheint eine tiefe Abneigung gegen den Klang meiner Stimme zu haben.«
    »Er hat eine Abneigung gegen sämtliche Stimmen außer der eigenen«, rief Saunders dazwischen.
    Das löste noch mehr Gelächter aus. Kelso ging unbeirrt weiter.
    Die Küche jenseits der Schwingtür war das reinste Inferno. Die Hitze, der Dampf, der Lärm und die heißen Gerüche von Kohl und gekochtem Fisch waren überwältigend. Kellner stellten sich mit Tabletts mit Tassen und Kaffeekannen in einer Reihe auf, wobei sie von einem rotgesichtigen Mann in einem vor Dreck starrenden Smoking angebrüllt wurden. Niemand beachtete Kelso. Er durchquerte rasch den großen Raum bis zur entgegengesetzten Seite, wo eine Frau mit einer grünen Schürze Tabletts mit schmutzigem Geschirr von einem Servierwagen ablud.
    »Wo geht’s nach draußen?« fragte er.
    »Tam«, sagte sie, mit dem Kinn die Richtung andeutend.
    »Tam.« Dort drüben.
    Die Tür wurde mit einem Keil offengehalten, damit ein bißchen frische Luft hereinkommen konnte. Er ging eine dunkle Betontreppe hinunter und stand kurz darauf draußen im Schneematsch, lief über einen Hof mit überquellenden Mülltonnen und aufgeplatzten Plastiksäcken. Eine Ratte huschte im Schatten in Sicherheit. Er brauchte ungefähr eine Minute, um den Weg nach draußen zu finden, und dann befand er sich schließlich in dem großen Innenhof an der Rückseite des Hotels. An drei Seiten ragten dunkle, mit erleuchteten Fenstern übersäte Mauern auf. Die tiefhängenden Wolken über seinem Kopf schienen dort, wo sie vom Strahl des Scheinwerfers getroffen wurden, in einem gelblichen Grau zu brodeln. Er gelangte über eine Nebenstraße auf den Kutusowski Prospekt und stapfte neben der vielbefahrenen Straße auf der Suche nach einem Taxi durch den nassen Schnee. Ein schmutziger, nicht gekennzeichneter Wolga schwenkte über zwei Fahrspuren, und der Fahrer versuchte, Kelso zum Einsteigen zu überreden, aber der winkte ihn fort und ging weiter, bis er den Taxistand vor dem Hotel erreicht hatte. Er machte sich nicht die Mühe, um den Preis zu feilschen, sondern stieg in das erstbeste Taxi und wies den Fahrer an, loszufahren, und zwar schnell.

8. Kapitel
    Im Dinamo-Stadion war ein wichtiges Fußballspiel im Gange – ein internationales, Rußland spielte gegen irgend jemanden, es stand unentschieden, man war in die Verlängerung gegangen. Der Taxifahrer hörte sich das Spiel im Radio an, und als sie keine zweihundert Meter vom Stadion entfernt vorbeifuhren, wurde die blecherne Reporterstimme vom Gejohle aus Tausenden Moskowiter Kehlen übertönt. Die Schneeflocken waren jetzt größer geworden und schwebten wie Segel im Flutlicht über den Tribünen.
    Um zum Stadion der Jungpioniere zu gelangen, mußten sie den Leningradski Prospekt hochfahren, wenden und dann von der Gegenrichtung zurückkommen. Das Taxi, ein

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