Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
wundern, dachte Hanson.
Die Pillen, die ich dir verabreichen werde, werden bitter, sehr bitter. Als
Polizist bedeutete für ihn Gerechtigkeit, dass ein Verantwortlicher für seine
Freveltaten zu bezahlen hatte. Dieses Mal wird sich im Räderwerk der Justiz die
Gerechtigkeit nicht verheddern, dieses Mal nicht, dafür werde ich sorgen.
„Bevor Sie mich zum Tatverdächtigen stempeln“,
fuhr Schukow fort, „fahren Sie zurück nach Kiel und machen Sie Ihre
Hausaufgaben“. Noch während er sprach, zog er seinen Mantel aus und legte ihn
wie beiläufig auf den Barhocker neben sich.
Es gibt keinen Zweifel, konstatierte Hanson
befriedigt, ihm wird es zu heiß, er steckt in sich selbst fest und in seiner
Stimme schwang ein gerüttelt Maß an Unsicherheit mit. Oder war es Angst?
Schukows Blick starrte ins Leere, nicht an die
gegenüberliegende Wand, sondern, wie es schien, über viele Jahre weit in die
Vergangenheit zurück. Aus vielen Vernehmungen kannte Hanson solche leeren
Blicke, wusste aus Erfahrung, wie sie zu deuten waren.
Schukow dachte an seine Frau, an seine
Enkelkinder, an die geplante Operation in der Charité, an das viele Geld, das
allen ein besseres Leben garantieren sollte, rief sich den Auftrag noch einmal
in Erinnerung und fürchtete, dass er in dieser Verschwörung nun doch der Mohr
sein könnte, der geopfert werden sollte. Hatte man ihn verraten? Nein,
unvorstellbar, das konnte nicht sein. Er hatte wohl diese Provinztrottel
unterschätzt. Schon sah er zwei Figuren dieser Dummerjane auf sich zu kommen.
Keine Sekunde zu früh hatte er sich seines Mantels entledigt. Sie packten ihn,
pressten ihn mit dem Oberkörper auf die Theke, spreizten seine Beine
auseinander. Von routinierten Händen wurde er durchsucht.
„Er ist sauber, Chef“.
„Gut, dann lasst mich mit dem Oberst allein, ich
möchte unter vier Augen mit ihm sprechen. Bleibt aber in der Nähe“. Das, was
jetzt hier geschah, war nicht für die Ohren seiner Mitarbeiter bestimmt. Hanson
wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie würden sich verbiegen müssen und
nur widerwillig seine folgende Vernehmungsstrategie mittragen. Das wollte
Hanson ihnen ersparen.
Verdutzt schauten sich Haller und Pelka an,
wagten aber in dieser Situation nicht zu widersprechen.
Von den Menschen, von ihren Schwächen und ihren
Stärken verstand Hanson etwas. Er kannte sich aus, wusste, welche Typen bei
wohldosiertem Druck zusammenbrachen, wusste, wem zu schmeicheln war, und
wusste, wer eingeschüchtert werden musste. Die Persönlichkeitsstruktur eines
Obersten des ehemaligen KGB, das stand für Hanson a priori fest, war ein
Kandidat der letzteren Alternative.
„Apropos Rechtsstaatlichkeit! Herr Oberst, ich
kenne den Gesetzeskanon, ich kenne die Regeln und ich beherrsche das Spiel,
besser und geschickter als Sie es sich träumen lassen. Sie haben den Tod von
vier Kollegen zu verantworten, daher werde ich schon aus diesem Grunde dieses
Spiel manipulieren, werde das Recht neu buchstabieren. Das alles hat natürlich
keinen Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit. Aber darüber rede ich auch nicht. Ich
rede über Gerechtigkeit, von einer Gerechtigkeit, wie ich sie interpretiere.
Und ich werde diese Gerechtigkeit obsiegen lassen, egal, welche Mittel ich
einsetzen muss. Eher gefriert die Hölle, als dass ich aufgebe. Ich werde Sie in
den Staub treten“.
Schukow ahnte, dieser harte Knochen ist
gefährlich, gefährlich für die gesamte Operation, gefährlich für seine
Auftraggeber und äußerst gefährlich für ihn persönlich. Ein Blick in seine
Augen bestätigten seine Befürchtungen, mit diesem Bullen war nicht zu spaßen.
„Sind Sie mit Blindheit geschlagen und spielen sich deshalb als Racheengel für
ihre vier toten Kollegen auf oder klopfen Sie nur blind auf einen Busch? Wenn
ja, dann bin ich der falsche Busch“.
„Oberst, ich spreche auch nicht von Rachgier.
Hier steht mehr auf dem Spiel, als Rache für vier tote Kollegen zu nehmen, das
wissen Sie besser als ich“.
Schukow war verblüfft. „Jetzt müssen Sie mir
gestatten, dass ich ein wenig lächle. Die Situation entbehrt nicht einer
gewissen Ironie. Von einem Gralshüter der geltenden Gesetze solche Worte zu
hören, ist schon gewöhnungsbedürftig“. Donnerwetter, dachte Schukow, dieser
Bulle ist gut, der versteht sein Handwerk. Genau das, was er selber im
Unterbewusstsein ständig fürchtete und jetzt ahnte, nämlich eine unbedeutende
Figur in einem großen, viel größeren Spiel zu sein, hat dieser
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