Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
tippte auf eine Aktenseite, „eine
fernmündliche Nachricht von ihrem Kollegen aus Berlin. Chef, Zelenski bittet
aber ausdrücklich darum, dass seine Recherchen in der Charité nicht offizieller
Bestandteil der Akten werden“.
„Ja,“ ich vermute, er hat seine Erkenntnisse
nicht im Einklang mit der Strafprozessordnung erlangt“.
„Stimmt“.
Hanson schaute entnervt zur Decke. „Und warum
hat nun Schukow mit der Charité telefoniert?“
„Ach ja, er ist schwerkrank, hat Krebs im
fortgeschrittenen Stadium, hat schon mehrere Voruntersuchungen in der Charité
hinter sich gebracht. Ein OP-Termin ist auch schon anberaumt worden“.
Hansons Halsschlagadern begannen zu pochen, Wut
stieg in ihm hoch. „Hören Sie Holger“, sagte Hanson schneidend, „solche
Information ...“
Gerber räusperte sich, Hanson sah irritiert hoch
und fing Gerbers Blick auf, der offensichtlich diesen Blickkontakt mit Hanson
gesucht hatte. Begütigend langsam wiegte Gerber seinen Kopf und hob einen
Zettel in die Web-Cam. „Sei nicht zu streng mit Peters, seine Verlobte liegt
mit Brustkrebs im Krankenhaus“, las Hanson und sah sich sogleich um Jahre in
die Vergangenheit zurückgesetzt. In eine Zeit, in der Hellen ihren heldenhaften
Kampf gegen den Brustkrebs verlor. Hanson spürte einen Kloß in seinem Hals
aufsteigen.
„...hm, ja, solche Information, Holger, hätten
Sie mir nicht vorenthalten dürfen“, führte Hanson im väterlichen Tonfall seinen
Vorwurf fort.
„Wie will denn ein pensionierter KGB-Oberst eine
Operation in der Charité bezahlen?“, schaltete sich Haller ein.
„Könnte Geld das Motiv sein?“, fragte Hanson
skeptisch zurück.
Haller lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und
schob seinen Notizblock von sich fort. „Geld, wissen wir doch alle, ist eines
der stärksten Motive überhaupt“.
„Ja, ich denke, wir haben das Motiv gefunden.
Sein Handeln war bedürfnisorientiert. Er brauchte einfach nur Geld für die
Operation“, antwortete Hanson mit gesenkter Stimme, in der eine gewisse
Enttäuschung nicht verborgen blieb. Geld als Triebfeder, nein, eine solch
profane Motivation hatte er dem Oberst nicht zugetraut. Glaubte Hanson bis eben
noch, der Oberst sei irgendeiner Weltanschauung verpflichtet, war es nun doch
der schnöde Mammon, dem sein Herz nachhing. Prima dachte Hanson, Strolche, die
dem Geld hinterher hecheln sind berechenbarer. Sicher, eine Operation in der
Charité kostete Geld, viel Geld. War das Gesundheitssystem in Russland denn
schon so marode, dass ein ausrangierter Oberst sich im Westen operieren lassen
musste? Nein, das konnte sich Hanson nicht vorstellen.
„Ich werde dem Oberst Zeit und Gelegenheit
geben, sich seine Wunden zu lecken, damit er seine Situation nochmals
überdenken kann. In der Zwischenzeit müssen wir uns in seine Vita eingraben und
mehr über seine Gewohnheiten wissen als er selbst. Ich will wissen, was sich
hinter seiner Fassade verbirgt. Das, Juri, übernehmen Sie. Wer ein solches
makelloses Deutsch wie der Oberst spricht, der hat hier lange Zeit gelebt.
„Chef, das dürfte schwierig werden. Wie sollen
...“
„Juri, ich weiß, das wird eine Herkulesaufgabe
für Sie, ziehen Sie alle Register. Und wenn ich sage alle, meine ich alle, die
offiziellen und die inoffiziellen. Und wenn sich einer auf den Datenschutz
beruft, treten sie diesem Schlauberger auf die Füße, von mir aus auch in den
Arsch. Denken Sie auch an die Gauk-Behörde, an die Zulassungsstellen und an die
Fernmeldeämter. Vielleicht hat der Mistkerl ja mal einen Telefonanschluß
beantragt. Es müssen Akten, Vermerke, Niederschriften oder weiß der Teufel was
für Unterlagen irgendwo existieren. Lassen Sie die Personalarchive und die
Jahrgangsbücher der Universitäten durchforsten. Fangen sie mit den ostdeutschen
Unis an und denken sie auch an die Standesämter. Möglich, dass Schukow als
Armeeangehöriger in der DDR stationiert war und eine Deutsche geheiratet hat.
Vielleicht hat er Kinder, die hier geboren sind. Ich will alles über ihn
wissen, will wissen, wie er seine Tretminen auslegt und wo er sie verbuddelt
haben könnte. Und wenn er in seiner Zelle rülpst, will ich es wissen. Weisen
Sie die Herrschaften in Moabit an, alles zu protokollieren. Und, Juri,
vergessen Sie nicht die Stadtwerke. Die sollen und müssen ihre Archive
umkrempeln und nach Wasser- oder Stromrechnungen forschen, die auf Schukow
ausgestellt worden sind. Möglich, dass wir mit solchen Querverweisen einen
Anfang finden. Alle
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