Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)

ständig
länger. Und wenn Sie vermuten, dass unsere Staatsanwaltschaft politischen
Zwängen folgt, weil sie mit dem Tode Schukows und seines Helfers das Verfahren
einstellen und partout die Hintergründe nicht eruiert haben möchte, haben sie
recht. Dag, ich bin aber sicher, hinter den Kulissen glühen schon die
Telefondrähte zwischen den involvierten Ministerien. Diese Weicheier haben
schlicht Angst, im Tauwetter zwischen Ost und West, könnten die Morde zu einem
politischen Skandal hochstilisiert werden“.
    „Voß vielleicht“, insistierte Hanson, „doch wohl
nicht unsere Generalstaatsanwaltschaften in Schleswig Holstein, oder?“
    „Dag, in dieser Republik baumelt jeder
Staatsanwalt, vom Bundesgeneralstaatsanwalt bis hin zum kleinsten Ankläger in
der Provinz, an den Fäden, die von der Politik gezogen werden. Jeder Ankläger
ist im Grunde ein verlängerter Arm der Politik, ist mit nicht unerheblicher
Übertreibung eine Marionette dieser Politik und folgt deren Ränkespielen. Unser
Generalstaatsanwalt in Schleswig-Holstein ist, wie sein großer Bruder in der
Bundesrepublik, ein politischer Beamter und kann zu jeder Zeit, ohne Angabe von
Gründen in die Wüste geschickt werden. Was auch geschieht, wenn er und seine
untergeordneten Staatsanwaltschaften gegenüber den Regierenden kein
Wohlverhalten zeigen oder Weisungen der Justizminister ignorieren. Ob den
Staatsanwaltschaften der Strafverfolgungszwang zur Seite steht, ist völlig
gleichgültig. Vor Strafgerichten wird nur das verhandelt, was angeklagt wird.
Mit anderen Worten, es wird nur die Kriminalität verfolgt, die verfolgt werden
soll. Angeklagt wird nur das, was der Politik, den Regierenden, opportun ist.
Nun können Sie sich an fünf Fingern abzählen, wie unabhängig Justitia
tatsächlich ist. Sie wird oft von der Politik korrumpiert. Man könnte und
müsste fuchsteufelswild werden und in den Tisch beißen, wenn es was nützen würde.
    Wir beide wissen doch, dass Korruptionsskandale,
die im politischen Milieu ihren Ursprung haben oder dort initiiert wurden, oft
nicht zur Anklage kommen oder nur halbherzig durchermittelt werden, so dass die
Verfahren dann eingestellt werden. Die Großkopferten und deren Rechtsanwälte
deklamieren dann die Einstellung des Verfahrens als triumphierenden Beweis der
Unschuld ihrer Mandanten. Und wenn tatsächlich gegen hochkarätige
Wirtschaftsführer oder Politiker das Verfahren durchgezogen wird, sind es oft nur
Spiegelfechtereien, um der Öffentlichkeit Rechtsstaatlichkeit zu suggerieren.
Nein, Dag, Justitias Schwert trifft nur den Kleinen Mann. In dieser Schwarz-
und Schmiergeld-Republik werden Verfahren gegen einflussreiche Bürger viel zu
oft gegen eine Geldbuße eingestellt. Geldbußen werden dann aus der Portokasse
bezahlt. Anschließend klopfen sich die Richter und Staatsanwälte den Staub aus
ihren Roben, packen ihre Talare ein und gehen nach Hause und widmen sich der
Familie. Die Rechtsanwälte liquidieren große Rechnungsbeträge, ergießen sich im
Fernsehen dann großmäulig vor einem Millionenpublikum über die
Rechtsstaatlichkeit und loben unser Rechtssystem über den grünen Klee. Ein
Schelm, der Böses dabei denkt. Dag, wenn man sich an die Affären und Skandale rund
um Strauß, Graf Lambsdorf und andere hochkarätige Vertreter dieser Republik
erinnert, stellt man fest, dass die Rechtsstaatlichkeit nicht oder nur
halbherzig verteidigt wird, damit die justiziable correctness, der Schein von
Recht und Ordnung gewahrt bleibt. Weitere, diesbezüglich belastete Politiker
hier aufzuzählen, käme einer Sisyphusarbeit gleich, weil ständig neue
hinzukommen.
    Nein, Dag, Justitia ist nicht unabhängig. Ihr
Schwert trifft nur den, der von der Politik zum Abschuss freigegeben worden ist.
Per se sind das in der Regel kleine und große Strolche und zuweilen auch ein
honoriger Bundesbürger als so genannte Bauernopfer.
    Hat sich ein Bürger ein politisches Amt erdient
oder ist sonst irgendwie mit zweifelhafter Würde überhäuft worden oder stolziert
mit Meriten am Revers daher, kommt Justitia meistens auf Samtpfötchen
geschlichen und zeigt ihre Krallen nicht. Die Staatsräson, was immer das auch
ist, verbietet es wohl, dass solche staatstragenden Figuren die volle Härte des
Gesetzes zu spüren bekommen. Das Fundament unserer Zivilisation, das Recht und
die Gleichheit vor diesem Recht, ist brüchig geworden. In dieser Verderbtheit
sind die Ehrlichen und die Rechtschaffenen die Dummen, die Narren. Nein,
Hanson, nur