Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
oder
Hypothesen. Hoffnungsvolle Hinweise wurden durch andere Feststellungen wieder
ad absurdum geführt. Logische Beweisstränge zerfaserten und endeten letztendlich
einem Gordischen Knoten gleich in einem wirren Knäuel.
Die einzige Feststellung, die er aus der
Patience der vielen Karten gewann, war die Tatsache, das Gerber mit seiner
Truppe eine Fülle von Spuren gesichert und sie mit Hilfe aller kriminaltechnischen
Fakultäten zum Sprechen gebracht hatte. Sie konnten das Wann, das Wo, das Wie
und das Wer klären, scheiterten aber auch kläglich am Warum. Das Warum hätte
nur Schukow klären können. Es war mit Schukows Tod in weite Ferne gerückt und
blieb ein Rätsel.
„Schluss für heute. Morgen ist auch noch ein
Tag“, sagte er sich, als sein Telefon klingelte und er auf dem Display Rebeccas
Telefonnummer erkannte. Dankbar war er für die Störung. Erwartungsvoll meldete
er sich.
„Dag, wie schön Deine Stimme zu hören“, sagte
sie. „Können wir uns morgen sehen?“
„Ja, ich habe auch Sehnsucht“, antwortete Hanson
und wunderte sich wie leicht ihm diese Worte über die Lippen gingen. Ein
solches Geständnis ist wohl leichter, wenn man
sich nicht in die Augen sehen muss, mutmaßte
Hanson verklemmt.
Kapitel 56
Marine-Ehrenmal Laboe, Mittwoch, 14.06.1995,
13.15 Uhr
An das gestrige Telefonat mit Rebecca hatte er
die ganze Nacht denken müssen. Wie im Fieber hatte er sich auf seinem Laken
gewälzt. Die Verabredung mit ihr, hatte ihn nicht schlafen lassen.
Heute war Mittwoch, Rebecca hatte seit 13.00 Uhr
frei. Es war ein selten lieblicher Tag, der ganze Heerscharen von Menschen nach
Feierabend ins Freie treiben würde. Noch schien die Sonne weich, später, in der
prallen Nachmittagsglut, würde es um ein Vielfaches wärmer werden. Es würde ein
Tag werden, der dem bevorstehenden Sommer schon alle Ehre machte, wolkenlos,
blau der Himmel, Das neue und weite Jackett, das von seinem kleinen Bauchansatz
ablenken sollte, war zu warm. Statt der Jacke wäre der Kauf eines leichten,
luftigen Blousons vorteilhafter gewesen.
Am Marineehrenmal Laboe wollten sie sich an
diesem Vormittag treffen. Hanson war zu früh. Seit einer dreiviertel Stunde
schon schlenderte er um das hohe, rotgeklinkerte Backsteingemäuer, umrundete es
und bestaunte die beiden an Land aufgebockten U-Boote aus dem zweiten
Weltkrieg.
Ein laues und salziges Lüftchen von der Ostsee
wirkte ein wenig erfrischend und kräuselte die Wasseroberfläche der Förde, in
der sich das Sonnenlicht wie in Myriaden Pailletten in einem breiten Streifen
widerspiegelte. Die salzige Luft legte sich wie Balsam auf seine Seele, auf der
Hellens Tod tiefe Spuren gegraben hatte und von denen er glaubte, sie nie mehr
glätten zu können. Aber die Zeiten, in denen ihr Bild in seinem Kopf
allgegenwärtig war, waren seltener geworden. Jetzt träumte er von Rebecca,
immer öfter. Ihr Bild ließ sich aus seinem Kopf nicht mehr verdrängen.
Schnatternde Wildgänse rissen Hanson aus seinen
Gedanken. Sie zogen als Keil im Tiefflug über die Wiker Bucht gen Osten. „Na,
Lorenz’ Graugänse sind auch ein wenig spät dran“, spekulierte Hanson halblaut
vor sich hin und beobachtete, wie aus dem Keil ein Vogel ausscherte, um an der
Keilspitze die Führung zu übernehmen. Aus der Ferne waren die Gänse nur noch
als Punkte, die sich dann zu einem schmalen Strich vereinigten, zu erkennen,
bevor sie mit der Kimm verschmolzen.
Der Anblick der schier endlosen Wasserfläche der
Förde war beruhigend. Wie schwer sein Job auch immer war, hier gab es Momente,
wo Stress und Sorgen verschwanden. Sein Blick schweifte über die Heikendorfer
Reede. Dort sammelten sich Segelyachten. Zwei Boote schoben sich noch
gemächlich aus dem Sportboothafen nahe der Hafenmeisterei. Ihre Segel gleißten
in der hellen Sonne. Hanson hörte das Klatschen der Wellen an den Bootswänden.
Es stand in Dissonanz mit den seicht anbrandenden Wellen der Förde. Viel zu
wenig Wind für eine zünftige Regatta, dachte Hanson neidisch. Wie gerne wäre er
auf einem solchen Boot der Skipper. Wenn er einen Traum hatte, dann war es ein
Segelboot. Ein kleines Argument, sich von Wolff an die Ostsee locken zu lassen,
war das Wasser, die See und die Weite, wie auch dieses herrliche Segelrevier,
das vor Kiels Haustür lag. Hellen war begeisterte Seglerin gewesen, hatte
bereits in vielen Urlauben Segelkurse belegt und nach dem Umzug nach Kiel auf
der Förde terrestrische Navigation geübt. Sie war im Begriff, die
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