Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Sorgfalt
dekantierte der Sommelier vor dem lodernden Kamin die erlesenen Rotweine
persönlich und gab ihnen Muße, sich langsam zu temperieren. Seinem Gaumen hatte
er aber schon viel zu oft Gelegenheit gegeben, die Weintemperatur zu prüfen.
„Jetzt ist aber Schluss mit der Verkostung“, mahnte ihn der Stellvertreter des
Chefs de cuisine, als er ihm die Menüliste überreichte. Des Weinkellners
Blutalkoholgehalt hatte bereits den Pegel erreicht, den er brauchte, um
konzentriert seinen Dienst verrichten zu können. Seine Hände zitterten nicht
mehr. Er musste sich mit seinem geleerten Rotweinglas von einem ledernen
Chesterfield-Sessel erheben und die Menülisten entgegennehmen. Dann wurde die
Ledergarnitur ein letztes Mal auf Hochglanz poliert.
Nebenan war der Esstisch für das Galadiner
festlich eingedeckt. Unter der Last eines erlesenen Porzellangeschirrs aus
Meißen bog sich der zierliche Mahagonitisch. Bunte Blumenbuketts in schweren,
ovalen Schalen aus purem Sterlingsilber zierten die Tafel.
Mit Verspätung lieferte die Catering-Firma die
Menüzutaten. Ihr Transporter war durch die vielen Polizeikontrollen auf den
Fahrwegen zum Flemming-House etwas in Zeitverzug geraten. Rückwärts war der
Lieferwagen an das Eingangsportal gefahren. Schwer wogen die großen Behälter. Sie
mussten mit größter Eile entladen werden, wollte man die verlorene Zeit wieder
einholen. Die exquisit gedruckte Speisekarte mit den Randnotizen diente dem
Küchenchef jetzt zur Kontrolle der angelieferten Waren. Penibel verglich er den
Inhalt eines jeden Behältnisses mit seinen Ergänzungen der Speisekarte. Jeder
Korb, jeder Container, jedes Behältnis wurde auf dem Plan abgehakt, wenn die
Eingangshalle passiert wurde.
Mit auf dem Rücken verschränkten Armen durchmaß
der Protokollchef die Räumlichkeiten des Flemming-Houses und ließ mit
Adleraugen seine kritischen Blicke schweifen. Nichts schien ihm zu entgehen.
Sein beflissener Adjutant folgte ihm respektvoll. Er schien noch nervöser und
zupfte ständig seine Krawatte gerade. Zum Leidwesen seines Chefs begannen nun
noch die Sicherheitskräfte der Kanadischen Bundespolizei in Kompaniestärke
zwischen seinem Personal umherzuwuseln. Immer kritisch beäugt und gefolgt von
den Agenten des Secret Service und des FBI, die ihren kanadischen Kollegen
nicht von der Seite wichen.
Auf den weißen Kieswegen hatten die
Polizeifahrzeuge tiefe Spurrillen hinterlassen. Der Park selbst war hermetisch
durch Kräfte der Metropoliten Police aus Halifax abgeriegelt. Fast das gesamte
Police Department war auf den Beinen und kontrollierte das gute Dutzend der
Fahrwege zum und im Park.
Zur totalen Verdrießlichkeit des Protokollchefs
schnüffelten jetzt noch die Sprengstoffsuchhunde jedes Zimmer, jede Ecke und
jedes Behältnis ab. Seine schlechte Laune übertrug sich allmählich auf das ihm
unterstellte Personal. Am Korb der Holzscheite im Kaminzimmer, gab einer der
Sprengstoffsuchhunde einen undefinierbaren Laut von sich, worauf der
Einsatzleiter darauf bestand, die Holzscheite einer erneuten, sorgfältigen
Inaugenscheinnahme zu unterziehen. Jedes einzelne Holzscheit wurde begutachtet
und von den Bombenexperten auf den gereinigten Teppich und wieder zurück in den
Korb gestapelt. Alles ohne Befund. „Vielleicht hat sich der Köter geirrt“,
murmelte Chief Inspector McLeear und sah seinen Mitarbeiter fragend an.
„Vielleicht, auch nicht“, antwortete dieser mit
besorgter Mine. „Ich weiß es nicht. Vielleicht sind die Hunde schon zu lange im
Einsatz. Vielleicht sind sie nervös, vielleicht brauchen sie eine
Verschnaufpause“.
„Pause?, undenkbar, wir hinken jetzt schon
hinter dem Zeitplan hinterher. Eine Pause können wir uns nicht leisten. In
weniger als vier Stunden trifft der Konvoi der Staatskarossen mit unseren
Gästen hier ein, wir müssen uns sputen. Ohne einen abgeschlossenen positiven
Sicherheitsscheck kommen mir die G-7-Teilnehmer nicht auf das Grundstück,
geschweige in das Haus“.
„Sir, ich schlage vor, wir wiederholen die
Prozedur und überprüfen abermals das Brennholz“.
McLeear rieb sich das Kinn und betrachtete
seinen Untergebenen mit gerunzelten Brauen: „In Ordnung, aber mit einem anderen
Hund. Wechseln Sie mit Sergeant Hunter die Hunde. Der streunt irgendwo mit
seinem Kläffer im Park umher“.
Der Protokollchef verlor völlig seine
Kontenance, als Hunters Riesenköter von einem Rhodesian Ridgeback am Kaminholz
das Hinterbein hob und einen großen See
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