Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Taschentuch wischte W. Miller die Papiere trocken,
fluchte kräftig und begann flüchtig zu lesen. Ihm stockte der Atem. Gottlob war
W. Miller ein politisch interessierter Mensch. Er wusste, dass auch sein
oberster Befehlshaber auf diesem verdammten Gipfeltreffen in Kanada weilen
würde. Hatte Korporal W. Miller doch erst gestern in den CNN-Nachrichten
gesehen, wie die Air Force One von den Männern vom 89th Military Airlift Wing
auf der Air-Force-Basis Andrews für den Flug nach Halifax vorbereitet wurde.
Der riesengroße Galaxy-Transporter war bereits im Vorfeld mit den
schwarzlackierten Sicherungsfahrzeugen und der gepanzerten Lincoln
Stretchlimousine seines Präsidenten in Halifax gelandet.
Nicht nur für W. Miller würde der Rest der Nacht
hektisch werden, nein, auch für seinen Vorgesetzten. Korporal W. Miller weckte
ihn mit klammheimlicher Freude, neugierig gespannt, wie dieser
West-Point-Absolvent die Krisensituation meistern würde.
„Commander!“ rief W. Miller in die Sprechanlage,
„wir könnten ein Problem bekommen“.
Sein Ruf verhallte ungehört. Nur das leise und
monotone Summen des abgekapselten Großrechners im klimatisierten Nachbarzimmer
drang durch das Mauerwerk und erfüllte Millers Dienstraum.
„Verdammte Scheiße“, murmelte er wütend, während
seine Finger schon im Dienstbuch nach dem geheimen Code für den Staatsnotstand
blätterten, „Commander müsste man sein, dann könnte man sein Geld im Schlaf
verdienen“.
„Commander, wachen Sie endlich auf“, rief
Korporal W. Miller erneut mit etwas schrillerer Stimme in das Mikrofon.
Dann wurde das monotone Summen des Rechners von
schlürfenden Schritten überlagert.
„Korporal, ich hoffe für Sie, dass Sie einen
guten Grund haben, mich zu wecken“, hörte Miller hinter sich.
Aye, aye, Sir, wenn Sie diese Übersetzungen
gelesen haben, werden Sie wohl Booth-Alarm auslösen müssen“.
„Booth-Alarm?, wofür steht das Code-Wort?“
Miller verdrehte entnervt seine Augen.
„Geplantes Attentat auf den Präsidenten, Commander. J.W. Booth hat 1865 Abraham
Lincoln erschossen und ...“
„Schon gut, Korporal, ich habe verstanden“,
stammelte der Commander verlegen und nahm die Papiere entgegen, die ihm Miller
reichte. „Sir, lesen Sie diese Dokumente, die von den deutschen Sicherheitsorganen
in Kiel an die Kanadier übermittelt worden sind“.
Blass und verstört begann der Commander zu lesen
und sah anschließend auf die vielen Uhren an der Konsole, die neben der
Zuluzeit die aktuelle Uhrzeit im Hauptquartier und die Uhrzeiten fast aller
Hauptstädte dieser Welt anzeigten. „Null-23-Hundert Zuluzeit“, murmelte er und
heftete dann seinen Blick auf die aktuelle Tageszeit von Fort George Meade. In
Maryland war es jetzt kurz nach halb neun Uhr abends des gestrigen Tages.
„Miller, Sie verdammter Narr, die Nachrichten
sind ja alle mehr als eine halbe Stunde alt“.
Als altgedienter, mit allen Wassern gewaschener
Soldat, war Korporal W. Miller auf diesen Vorwurf vorbereitet. Jahrelanger
Umgang mit allzu forschen Vorgesetzten hatte ihn schon bei den Green Berets
geprägt und ihm ein dickes Fell wachsen lassen. Auf solch junge Emporkömmlinge
war er trainiert. Jetzt war die Flucht nach vorn angesagt. Du junger Spund
wirst mich nicht anpissen, dachte Miller und grinste frech seinen Chef an. „Die
Nachrichten, die Sie in den Händen halten, Commander, sind noch viel älter,
Sir. Die Ausdrucke sind circa dreißig Minuten alt, Commander, wenn Sie mir
diesen Einwand erlauben“.
„Miller, stellen Sie sofort dieses blöde Grinsen
ein, wir sprechen uns noch. Sie werden sich demnächst für die verspätete
Alarmierung verantworten müssen, die Sie offensichtlich verpennt haben. Den
Arsch wird man ihnen aufreißen, dafür werde ich sorgen“.
Dieser Anschiss brachte Miller nicht ins Wanken.
Im Gegenteil, er wuchs über sich hinaus. Provozierend langsam erhob sich Miller
und legte seine Hand auf die Oberschenkelnarbe. Diese Narbe, ein Andenken aus
Kriegstagen, war der Versetzung zur NSA zu verdanken.
Dann nahm er vor seinem diensthabenden Offizier
Haltung an und antwortete kaltlächelnd: „Der Schuss, Commander, wird ein
Rohrkrepierer, der auch ihre Karriere zerstören wird. Und was meinen Arsch
angeht, können Sie den ihrigen schon Mal einpacken. Hier werden Sie ihn nicht
mehr breitsitzen, dass verspreche ich ihnen in die Hand, wollen Sie mich
tatsächlich zur Rechenschaft ziehen. Erstens, habe ich schon vor drei Nächten
im Wachbuch
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