Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Ausnahmen. Wie sollte
er sich verhalten, wie konnte er sich wehren. Eine der wichtigsten Prioritäten
war damals, seine Mitarbeiter näher kennen zu lernen. Dazu musste er unbedingt
Einsicht in die Personalakten seiner Mitarbeiter bekommen. Schwierig, da er
kein Disziplinarvorgesetzter war, würde ihm das Polizeiverwaltungsamt die
Personalakten vorenthalten. Sein Mentor, der Präsident, zeigte Verständnis und
erklärte, gelegentlich darauf zurückzukommen. Drei Wochen später fand er eine
handschriftliche Notiz seines Vertreters auf seinem Schreibtisch, wonach er
sich anderntags, morgens um elf Uhr dreißig in den Höhen des Olymps beim
Präsidenten einzufinden habe.
11.25 Uhr des nächsten Tages klopfte er an die
Vorzimmertür des Big Bosses. Durch die geschlossene Tür hörte er ein vertrautes
HEREIN.
Da saß sie. Wolff, der Himmelhund, hatte seine
ehemalige Vorzimmerdame von Wiesbaden mit nach Kiel genommen. Sie hatte
zwischenzeitlich geheiratet und hieß jetzt Köhler, Rosemarie Köhler. Sie führte
Hanson in das Dienstzimmer des Präsidenten. Hanson erinnerte sich, kalter
Pfeifenrauch schlug ihm damals entgegen. Immer noch der gleiche englische
Tabak, dachte Hanson zu jener Zeit und sah auch gleich den Pfeifenständer links
neben dem Telefon. Die geliebte Bruyère-Pfeife, ein Hänger, lag auf dem
Schreibtisch, als habe der Alte diese stark nach unten gebogene Pfeife gerade
aus der Hand gelegt. Daneben stand ein Fabergé-Ei, sicher ein Gastgeschenk der
russischen Delegation, dachte Hanson. Ansonsten gediegenes Ambiente, getäfelte
Wände mit wertvollen Ölgemälden von Seeschlachten antiker Segelschiffe, Perserteppiche
und -brücken auf dem blitzblanken Parkettfußboden, gegenüber eines mächtigen
Schreibtisches, ein Portrait von Bismarck. Der Reichskanzler wandte sich mit
wachem Blick ständig dem Betrachter zu, egal in welcher Ecke man sich befand.
Der riesige Konferenztisch, der von seiner Größe besser in einem Refektorium
stände als hier, dominierte den Raum. Mitten drauf, unter einem Glaskolben,
tickte leise eine antike Pendüle, die mit zartem Glockenklang die Mittagsstunde
verkündete.
Nur vom Präsidenten keine Spur.
“Der Herr Präsident lässt sich entschuldigen. Er
begrüßt die russische Delegation aus Moskau im Casino und wird in einer halben
Stunde zurück sein. Sie, Herr Hanson, sollen unbedingt in seinem Büro auf ihn
warten,“ flüsterte sie mit einem Augenzwinkern. Hanson begriff sofort, auf dem
Couchtisch lagen die sechs Personalakten seiner Mitarbeiter, geordnet nach
Dienstgraden.
Eine halbe Stunde, die Zeit war verdammt knapp,
alle Akten in Ruhe durchzulesen, würde er nicht schaffen. So wollte er die Akten
rasch überfliegen und sich nur auf die Personalbögen konzentrieren. Vier Bögen
erregten seine Aufmerksamkeit.
Juri Haller, Kriminaloberkommissar,
Quereinsteiger, 35 Jahre alt, mit 22 Jahren aus Ostberlin geflüchtet, Witwer,
Jurastudium in Rekordzeit an der Uni Göttingen, Abschluss mit summa cum laude,
Strafverteidiger und Partner in der Sozietät Dr. Dr. Meyberg, Kiel.
Holger Peters, Kriminaloberkommissar,
Quereinsteiger, 35 Jahre alt, ledig, graduierter Diplomingenieur und Archivar
beim Deutschen Museum, München.
Jutta Einemann, Kriminalkommissarin, 30 Jahre
alt, ledig, über Bereitschaftspolizei, Schutzpolizei zur Kriminalpolizei, 1993
Deutsche Polizeimeisterin im Pistolenschießen, 1994 Deutsche Polizeimeisterin
im Biathlon. Versetzung von München nach Kiel auf eigenen Wunsch.
Axel Rütter, Kriminalhauptmeister, 31 Jahre alt,
ledig, über Bereitschaftspolizei, Schutzpolizei zur Kriminalpolizei,
Landesmeister in Judo und Karate, 5 Dan, Fernstudium Jura, 3 Semester.
Die anderen Personalbögen enthielten keine nennenswerten
Informationen. Hanson war mehr als enttäuscht über die mageren Auskünfte, er
hatte sich mehr Erkenntnisse über seine Mitarbeiter erhofft.
Aus dem Vorzimmer vernahm Hanson, wie Frau
Köhler sich am Telefon meldete. Sekunden später hörte er, wie der Telefonhörer
wieder in die Gabel zurückgelegt wurde. Sodann öffnete sich die Tür, Frau
Köhler erschien mit einem DIN-A4-Kuvert, das sie ihm mit den Worten übergab:
„Herr Hanson, der Herr Präsident rief eben an
und bat mich, Ihnen diesen Briefumschlag zu geben. Er wird heute nicht mehr ins
Präsidium zurück kommen können.“
Das Kuvert war versiegelt und handschriftlich an
ihn persönlich adressiert. Er glaubte, die Handschrift seines Präsidenten
erkannt zu haben, der gleiche
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