Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
energische Duktus, den er von früher her kannte.
In seinem Büro riss Hanson das Kuvert auf. Auf den Rückseiten der kopierten
Personalbögen standen handschriftliche Notizen. Eine von Wolff handgeschriebene
Notiz flatterte ihm auf einem kleinen Zettel entgegen.
„Hanson, ich will Ihnen Gerüchte, Redereien,
Klatschgeschichten aber auch Tatsachen über Ihre Mitarbeiter zur Kenntnis
bringen, die mir teilweise auch durch Zuträger bekannt geworden sind und nicht
in den Personalakten vermerkt sind. Setzen Sie diese Erkenntnisse als
erweitertes Führungsinstrument klug ein“. Dann folgte mit Datum die Paraphe von
Wolff..
Unter P.S. hatte Wolff noch vermerkt, alles nach
Kenntnisnahme zu vernichten.
Der Funkstreifenwagen hatte die Innenstadt
verlassen und fuhr nun etwas schneller auf der B 76 in Richtung Preetz dem
Tatort entgegen. Es hatte aufgehört zu schneien. Die Landschaft sah aus, wie in
Watte verpackt. Immer öfter schien die Sonne durch immer größer werdende Wolkenlücken
hindurch. Das Wetter schien sich zu bessern.
„In fünfzehn Minuten, schätze ich, werden wir da
sein“, hörte Hanson den Fahrzeuglenker sagen. Die Bundesstraße führte bereits
durch den Klosterforst. Einige Baumäste waren durch die beträchtlichen Schneelasten
abgebrochen oder hingen in die Fahrbahn hinein. Ansonsten fuhren sie durch eine
wunderschöne Winterlandschaft. Die Schneekristalle auf den Baumästen warfen
millionenfach das Sonnenlicht zurück. Viele Tannen glitzerten wie zu
Weihnachten die Christbäume.
Über Funk teilte der Funkstreifenführer den
Schneebruch der zuständigen Straßenmeisterei mit. Auf der schnurgeraden
Landstraße sahen sie bereits aus der Ferne das Blitzen der Blaulichter mehrerer
Polizeifahrzeuge. Beim Näherkommen zählte Hanson drei Einsatzwagen der
Schutzpolizei, zwei Zivilfahrzeuge der Kriminalbereitschaft und den
Tatortaufnahmewagen der Spurensicherung von der Kriminaltechnik.
Geschickt parkte der Fahrer den
Funkstreifenwagen zwischen zwei Schneeverwehungen auf dem Seitenstreifen der
Landstraße, als Gerber zwischen großen Kiefern aus dem Wald hervortrat und auf
Hanson zusteuerte, der sich gerade mit seinem Mantel aus dem Fond des Wagens
schälte. Die beiden Freunde nickten sich nur kurz zu. Wenn sich der
Kriminaltechniker an einem Tatort befand und mit der Tatortaufnahme beschäftigt
war, gab er niemandem, egal wer es war, zum Tagesgruß die Hand. Schnell, viel
zu schnell würden Mikrospuren, welcher Art auch immer, von einer Person zur
anderen übertragen. Seinen Mitarbeitern hatte er die gleichen Verhaltensregeln
eingebläut. Hanson kondolierte über den tragischen Verlust des Bruders und
wunderte sich, dass Gerber es kaum zu hören schien; er kam sofort zu Sache.
„Die gesamte Fläche, 200 Meter um das Fahrzeug,
habe ich bereits absperren lassen. Wir brauchen ab jetzt eine ständige
Tatortbewachung, denn solange dieser verdammte Schnee hier liegt, brauchen wir
an eine Spurensuche nicht zu denken, wir können nur Däumchen drehen und auf
Tauwetter hoffen. Eine Leichentemperaturmessung zur Todeszeitbestimmung können
wir uns auch ersparen, der Leichnam ist fast tiefgefroren, er hat bereits die
Umgebungstemperatur angenommen. Vielleicht kann die Gerichtsmedizin ein
Zeitdiagramm errechnen, wie lange es dauert, bis ein Leib von 37 Grad Celsius
und dieser Körperfülle steifgefroren ist.“
Hanson nickte zustimmend und wollte anmerken,
den Wagen sicherstellen zu lassen, doch Gerber ließ sich nicht unterbrechen.
„Ich habe einen großen, mit Plane zu
verschließenden Abschleppwagen geordert. Der Daimler muss mit der Leiche in die
geheizte Polizeigarage verlastet werden. Der Wagen ist Spurenträger und muss
dort abtrocknen. Die Gerichtsmediziner kommen mir da vorerst auch nicht ran,
die kannst du gleich wieder abbestellen.“ Nach kritischer Analyse der gesamten
Umstände hätte er als Leiter der Mordkommission nicht anders entschieden als Gerber.
Trotzdem ärgerte es sein manchmal sehr fragiles Ego, dass Gerber diese
Entscheidungen ohne Absprache mit ihm getroffen hatte. Hanson versuchte, sich
zu beherrschen und sich seinen Frust nicht anmerken zu lassen.
Die beiden Freunde Hanson, der Taktiker, und Gerber,
der Techniker, hatten sich auf einem durch rot/weiße Flatterleinen markierten
Trampelpfad dem Mercedes bis auf ungefähr 15 Meter genähert, als Gerber
verharrte und seinen Freund am Arm festhielt. „Wir wollen nicht weitergehen“,
sagte er bestimmt, „wir werden nicht ins
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