Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Wolff werde zum Beginn des nächsten Jahres
Polizeipräsident in Kiel, glaubte Hanson, beim Bundeskriminalamt bleiben zu
können. In Wiesbaden hatte er seine Freunde, in Frankfurt lebten seine Eltern
in einem Altersheim, seine beiden Schwestern wohnten in Mainz. Weshalb sollte
er sich nun noch in die Provinz versetzen lassen; unter seinem Intimfeind würde
er nicht mehr lange zu leiden haben.
An einem 13. Februar klingelte es dann an seiner
Wohnungstür, Hellen öffnete. „Guten Abend, Herr Wolff“, hörte er sie sagen.
Hanson erinnerte sich, wie elektrisiert er war, heftiges Magenkneifen stellte
sich augenblicklich ein; sollte tatsächlich Wolff im Hausflur stehen? Oh
Schreck, er war es. Hellen hatte ihn schon herein gebeten. Sie ging voraus und
führte den Gast in das Arbeitszimmer. Als Hanson das Zimmer betrat, erhob sich
Wolff, streckte ihm die Hand entgegen und umarmte ihn mit dem linken Arm. War
das wirklich Wolff? Strenger war nie ein anderer Chef jemals zu ihm gewesen.
Und jetzt die Freundlichkeit. Was war mit Wolff geschehen, hatte er eine
Metamorphose durchgemacht? Wiederzuerkennen war er jedenfalls nicht.
Wie immer, kam der alte Haudegen schnell zur
Sache:
„Sie, Hanson, werden sich über meinen Besuch
wundern“, eröffnete er das Gespräch. Bestimmt haben Sie von meiner Berufung zum
Polizeipräsidenten nach Kiel gehört. Hanson, ich halte Sie für einen der
fähigsten Kriminalisten des gesamten Bundeskriminalamtes. Ich würde mich
freuen, wenn Sie mich nach Kiel begleiten würden. Dort können Sie die Leitung
der Mordkommission übernehmen, dafür werde ich sorgen“. Mit einem süffisanten
Lächeln fuhr er fort und erklärte, dass alle Differenzen in der Vergangenheit
von ihm provoziert worden waren.
„Die oftmals völlig überzogene und nicht
gerechtfertigte Kritik meinerseits, Hanson, hatte nur eine Zielrichtung. Ich
wollte Sie permanent unter Druck setzen und halten, um einfach Ihre
Stressstabilität und Ihre mentalen Schwächen auszuloten. Sie haben den Druck
gut weggesteckt und mir hervorragend Widerstand entgegen gesetzt. Verbiegen
konnte ich Sie nicht; auch sind Sie mir nie in den Allerwertesten gekrochen wie
viele Salonkriminalisten in meinem Referat. Alle unsere Differenzen sollten Sie
schnell vergessen. Mein Sinnen und Trachten war stets, Sie zu höheren und
besseren Leistungen anzustacheln. Fordern, heißt fördern. Ich habe Sie zu einem
guten und hervorragenden Polizisten geformt und glaube, mein Ziel erreicht zu
haben. Auch ihr Charakter lässt den Schluss zu, dass Sie ein guter Leiter einer
Mordkommission werden. Hanson, kommen Sie mit mir nach Kiel, ich habe Großes
mit Ihnen vor.
Lassen Sie sich Zeit, besprechen Sie alles mit
Ihrer charmanten Frau und geben mir bis zum 1. März diesen Jahres Bescheid,
denn bis zum 1. April muss die Stelle des Leiters der Mordkommission in Kiel
wieder besetzt werden“. Sprach’s, wünschte noch einen schönen Abend, bat,
Hellen noch zu grüßen, verabschiedete sich und war genau so schnell verschwunden,
wie er gekommen war.
Auf den Tag genau lag dieser Besuch von Wolff
jetzt fünfzehn Jahre zurück. Aus einem vermeintlichen Intimfeind ist in Kiel
ein väterlicher Freund geworden.
Nein, diesen Präsidenten konnte er nicht warten
lassen.
Als das Telefonat seitens des Präsidenten
beendet wurde, schwante ihm, dass er sich über die kommenden Abende und
Wochenenden keine Gedanken mehr zu machen brauchte, er würde sie auf der
Dienststelle verbringen.
Mit knappen Sätzen wurde ihm erklärt, dass sein
Stellvertreter Pellka vor Ort sei und an der Leiche eine blutende Kopfwunde,
vermutlich einen Einschuss, festgestellt habe. In den Augäpfeln und an beiden
Wangenknochen glaubte er, kaum sichtbare Staublutungen erkannt zu haben, die
partiell durch eine Blutabrinnspur überlagert waren. Nunmehr sei von einem
Kapitaldelikt auszugehen.
Der komplette Erkennungsdienst sei bereits in
Marsch gesetzt worden, auch die Gerichtsmedizin wurde informiert und werde in
cirka einer Stunde am Tatort sein.
Kurz und knapp bat der Präsident, er möge sich
schnellstens zum Tatort begeben.
Die Zahnbehandlung musste wieder einmal
verschoben werden. Sein Freund narkotisierte den rechten Unterkiefer und gab
ihm noch diverse Tablettenblister eines starken Schmerzmittels mit. Ein neuer
Behandlungstermin wurde gar nicht erst verabredet. Die verabredete Schachpartie
wurde gekänzelt.
Gedanklich war Hanson schon am Tatort, die
erforderlichen Maßnahmen würde er vor Ort
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