Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
er immer noch dieselbe verschwitzte Kleidung trug, mit der er Rebecca
gestern gegenüberstand. Heute wollte er ordentlich und adrett vor dieser Frau
erscheinen.
Vielleicht, hoffte Hanson, ließe sich im
Wäschekorb, unter den verschmutzten noch ein etwas weniger dreckiges Oberhemd
finden. Besser, er kaufte sich ein neues, modisches Oberhemd und mehrere
Garnituren Unterwäsche.
Kapitel 8
Kiel, Polizeipräsidium, Mittwoch, 15.02.1995,
10.10 Uhr
Hanson hastete den Korridor entlang, pünktlich
konnte er den Besprechungstermin nicht mehr einhalten. Um 09.15 Uhr saß er noch
auf dem Behandlungsstuhl seines Zahnarztes. Sein Freund hatte den Weisheitszahn
ausgraben müssen. Ständig fühlte er mit seiner Zungenspitze eine Grube in seinem
rechten Unterkiefer. Schmerzen spürte er nicht, aber es war fast errechenbar,
wann sich mit nachlassender Betäubung die Schmerzen zurück melden würden. Der
schlechte Geschmack in seinem Mund ließ ihn fürchten, dass auch sein Atem nicht
anders riechen könnte.
Es war 11.22 Uhr als er den Besprechungsraum
erreichte. Gerber hatte die Besprechung natürlich schon eröffnet und gab den
versammelten Kollegen noch einen Überblick.
Durch Gesten gab er ihm zu verstehen,
fortzufahren.
“...und es dürften die zwischenmenschlichen
Beziehungen wie Liebe, Hass, Rache und Eifersucht entfallen. Von zwei völlig
unabhängigen Handlungssträngen auszugehen, die sich zufällig kreuzten, hieße,
gegen alle kriminalistischen Grundsätze zu argumentieren. Die Frage nach einem
Zufall oder Zusammenhang beantwortet sich auch von selbst. Dr. Beyer und
Bachner sind von ein und demselben Täter oder von einer Tätergruppe getötet
worden. Allerdings nicht mit einem, sondern mit zwei Tatentschlüssen. Bachner
ist nach Hansons und meiner Einschätzung eher zufällig den Tätern in die Quere
gekommen und kaltblütig erschossen worden, weil sie sich entdeckt fühlten. Es
ist eine Binsenweisheit, dass man als Opfer die dunkle Seite seines Gegenübers
erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Auch Bachner dürfte seinem Mörder arglos
gegenüber gestanden haben und die dunklen Absichten seines Visavis erst erkannt
haben, als es zu spät war. Wir glauben, Bachners Ermordung war aus Sicht der
Täter eine zwangsläufige Notwendigkeit als Folge der ersten Tat.
Aus Gründen der Sprachregelung werden wir
einfachheitshalber ab jetzt von einem Täter reden.
Dieser Täter also hat nicht so professionell
gehandelt, wie wir anfangs glaubten. Ihm sind eine Reihe von kleinen
Unaufmerksamkeiten unterlaufen, auf die ich später noch zu sprechen kommen
werde.
Zu Beginn möchte ich darauf hinweisen, dass Dr.
Beyer sich nicht selbst erschossen hat. Ihm wurde eine Glock 19, Kaliber 9 mm,
in die rechte Hand gelegt, nachdem er zuvor erwürgt oder erdrosselt worden ist.
Winzige Staublutungen, die sich nur dann bilden, wenn ein Mensch unter
Sauerstoffmangel leidet, in den Augäpfeln und an beiden Wangenknochen weisen
darauf hin. Mit einem absoluten Nahschuss, einem aufgesetzten Schuss, wollte
der Täter einen Selbstmord vortäuschen. Die Stanzmarke von der Pistole an
seinem Haaransatz ist mit dem vorderen Profil der Glock 19 identisch, die Beyer
noch in der rechten Hand hielt. Selbst das Pistolenkorn hat sich noch in die
Kopfschwarte der Schläfe gedrückt. Übrigens war der Tote kein Rechtshänder,
sondern ein ausgeprägter Linkshänder. Sein linkes Handgelenk ist wie die linke
Hand im Vergleich zu rechts deutlich stärker ausgebildet. Wir werden
feststellen, wenn wir seine Vita überprüfen, dass er Tennis-, Squash- oder
Federballspieler war. Die linke Handinnenfläche weist an den dafür typischen
Arealen, die einen Schlägergriff umklammern, Hornhautabriebe auf.
Er ist einwandfrei von fremder Hand getötet
worden. Beide Hände von Dr. Beyer weisen weder schmauchtypische noch
schmauchspezifische Rückstände auf.. Auch ist im Wagen ...“
„Was sind schmauchtypische und
schmauchspezifische Rückstände?“, unterbrach Voß Gerbers Ausführungen.
„Schmauchspezifische Rückstände rühren
ausschließlich von einer Patronenlaborierung her, während schmauchtypische
Rückstände von überall, aber eben auch von einer Patrone stammen können“,
beantwortete Gerber mit Blick auf Voß die Zwischenfrage. „Wenn Sie verbleiten
Sprit tanken, haben Sie Blei an den Händen, Herr Staatsanwalt. Blei kann, muss
aber kein Indiz dafür sein, dass Sie mit einer Handfeuerwaffe geschossen
haben“.
Jetzt erst war Hanson auf Voß
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