Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Job.
Auch Gerber, dachte Hanson, war so ein Typ.
War er in seiner Arbeit vertieft, konnte ihn
nichts aus der Ruhe bringen. Das ganze kriminaltechnische und wissenschaftliche
Repertoire von A bis Z wurde zwar nicht immer, sondern nur anlassbezogen, von
ihm zum Einsatz gebracht, aber immer schien er alle Möglichkeiten im Geiste zu
überdenken. Dann stand er meistens mit einer Hand in der Hosentasche und
geschlossenen Augen irgendwo am Tatort inmitten seiner Mitarbeiter regungslos
herum. Man sah es ihm dann förmlich an, wie er bei konkurrierenden
Sicherungsabfolgen gedanklich das Kaleidoskop aller kriminaltechnischen
Möglichkeiten drehte und die Reihenfolge der einzelnen Maßnahmen festlegte, die
er dann seinen Mitarbeitern mit wenigen Worten präzise erklärte.
Vielleicht war Ruhe und Beschaulichkeit das
beflügelnde Element, das nicht nur Gerber, sondern die gesamte Kriminaltechnik
zu solch großen Leistungen befähigte. Eine am Tatort nicht gesicherte Spur,
gleich welcher Art, war ein für alle Mal verloren. Ein solches Missgeschick
ließ sich nicht reparieren. Die Jungs brauchten einfach Ruhe bei ihrer Arbeit.
„Nein Hanson“, sagte er zu sich selbst, „du hast
es da einfacher. Wenn Vernehmungen oder Befragungen in die Hose gehen, eine
Recherche nicht optimal gelaufen ist, kann alles wiederholt werden. Pannen in
der Taktik lassen sich oft ausbügeln“.
„Jürgen, wir wollen den Technikern die Zeit
geben, die sie brauchen. Bislang haben sie ja immer gute Ergebnisse aus ihren
Spuren herausgelesen, die uns oftmals auf die Sprünge halfen“.
Genau diese Ungeduld hatte Wolff auf der
Rückseite von Pelkas Personalbogen handschriftlich vermerkt.
Stets ungeduldig, wird oft ausfallend, wenn
Amtshilfeersuchen zu lange dauern oder nicht zu seiner Zufriedenheit bearbeitet
worden sind, guter Vernehmungsbeamter, waren neben anderen Notierungen die
markantesten Eigenschaften von Pelka.
„Ach noch etwas, Jürgen, Haller soll sich doch
bitte mal über den Dr. Beyer schlau machen, Personaldaten, Eltern, Wohnort und
so weiter, na, Sie wissen schon. Ich möchte nach unserer Besprechung mit Ihnen
und Gerber in die Wohnung. Lassen Sie auch bitte einen Schlüsseldienst in
Bereitschaft setzen, der uns notfalls die Haustür öffnet“.
„Ich schlage vor, wir greifen auf die Feuerwehr
zurück, die arbeitet bei Türöffnungen kostenneutral, macht für uns auch weniger
Schreibarbeit. Ein Anruf genügt“.
„Okay“, antwortete Hanson und sah wie der lange
Voß auf ihn zusteuerte. Zeitgleich spürte er wieder heftige Zahnschmerzen. Ein
interessantes psychologisches Zusammenspiel, dachte er. War es möglich, dass er
auf die unangenehme Zusammenkunft mit Voß nicht nur mental, sondern körperlich
mit Schmerzen reagierte? Hanson übertrug seinem Stellvertreter die
Tatortverantwortung und wollte die Ankunft des Staatsanwaltes ignorieren. Aber
die Chance war vertan, er war schon zu dicht herangekommen. Unhöflichkeit
wollte Hanson sich nicht vorwerfen lassen. Aber den Nerv, sich mit diesem
Staatsanwalt jetzt auseinander zusetzen, hatte er nicht mehr.
„Jürgen, darf ich Ihnen Herrn Staatsanwalt Voß
vorstellen“.
„Herr Voß, das ist mein Stellvertreter
Hauptkommissar Jürgen Pelka, der wird Ihnen kurz den Sachstand mitteilen. Ich
selbst habe leider nicht die Zeit, ich muss mir noch einen Überblick über eine
Straßenkreuzung verschaffen, über die der Täter vermutlich geflüchtet ist. Wir
sehen uns um elf Uhr zur Besprechung im Präsidium“, rief er noch seinem
Stellvertreter zu.
Als Hanson vor dem abgestellten Geländewagen
stand, erinnerte er sich, dass er die Fahrzeug-schlüssel einem
Kriminaltechniker übergeben hatte. An wen, wusste er nicht mehr. Also stapfte
er zurück zu seinem Stellvertreter, der immer noch der Schwatzhaftigkeit des
Staatsanwaltes ausgesetzt war und sich dieser öligen Zunge nicht erwehren
konnte.
Von Pelka lieh er sich den Dienstwagen aus, mit
dem dieser zum Tatort gefahren war.
„Achtung, beim Bremsen zieht die Karre stark
nach rechts“, gab Pelka ihm noch mit auf den Weg.
Auf der B 76 machte Hanson erst einmal eine
Bremsprobe. Es war unglaublich, wie der Wagen nach rechts ausbrach. Jeder
Dorfschutzmann würde ein derart unsicheres Fahrzeug aus dem Verkehr ziehen.
Sich zu weigern, sich in eine solche Karre zu setzen, war keine Lösung. Die
Alternative hieße, zu Fuß zu gehen oder die Ermittlungen aufzuschieben.
Die Postenkette der äußeren Absperrung war ein
wenig ausgedünnt
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