Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
einzunehmen, blieb aber selbst stehen und schritt einem unbewussten
inneren Instinkt folgend mit geballten Fäusten in den Hosentaschen zu der
hellen Fensterfront, so dass Voß ihn nur als Silhouette sehen, geschweige,
seine Gesichtsregung, seine Zornesröte, bemerken konnte. Hier hatte Hanson das
Gefühl, Herr der Lage zu sein. Nicht laut, sondern gefährlich leise und mit
äußerster Selbstbeherrschung fuhr Hanson fort:
„Herr Staatsanwalt, gestatten Sie mir, einige
grundsätzliche Dinge klarzustellen. In jeder Organisation gibt es Mechanismen,
die zwar kein reibungsloses Funktionieren garantieren aber vielfach für ein gut
geöltes Miteinander bürgen. Nur gemeinschaftlich kommen wir unserem Ziel näher.
Zu solchen Funktionsmechanismen gehört selbstverständlich, dass jedes Mitglied
dieser Mordkommission sich ohne Scheu erklären kann. Sie sind zwar der Herr des
Strafverfahrens, das heißt aber nicht, dass Sie uns vorschreiben können, wie
wir unsere taktischen Maßnahmen gestalten sollen. Bestenfalls können Sie uns
Vorschläge unterbreiten, die wir dann wohlwollend prüfen werden“.
Obwohl Hansons Entgegnungen leise formuliert
worden waren, dröhnten sie wie Peitschenhiebe durch den Besprechungsraum.
„Ich wollte doch nur ...“
„… zuhören, Herr Voß, ich bin mit meinen
Ausführungen noch nicht fertig“, fuhr Hanson mit einem Tonfall dazwischen, der
keinen Widerspruch duldete.
„Weil Sie in diesen Räumen unser Gast sind, will
ich darüber hinwegsehen, dass Sie soeben einen meiner Mitarbeiter
herabwürdigend und beschämend behandelt haben.
Dieser subalterne Mitarbeiter, wie Sie ihn
unpassender Weise zu diskreditieren trachteten, ist wie Sie Volljurist, hat an
der Uni Göttingen sein Staatsexamen mit summa cum laude hingelegt, was nicht
jeder Staatsanwalt von sich behaupten kann. Er ist Ihnen daher mehr als
ebenbürtig“.
Das Wörtchen – mehr – sprach Hanson besonders
gedehnt und hoffte so, seine Wertschätzung für Haller deutlich gemacht zu
haben. Mit einem kurzen Blick zu Haller registrierte Hanson, wie wohlgefällig
dieser die Worte an Voß verbuchte.
„Zukünftige Diskrepanzen können Sie getrost mit
ihm auf gleicher Augenhöhe diskutieren“.
Irritiert, beeindruckt oder beschämt stierte Voß
mit maskenhaftem Gesichtsaudruck und leeren, glanzlosen Augen auf den Fußboden,
wie ein ertappter Schulbub. Seine Wangenknochen mahlten unentwegt. Er stand für
jeden erkennbar unter gewaltigem Druck, der jeden Augenblick zu bersten schien.
Hanson hatte unverkennbar das Ego seines Gegenübers mit wenigen Worten
kleingestutzt. Eine weitere Breitseite sollte Voß aber noch einstecken. Hallers
Vorschlag, sich die erforderlichen Speichelproben verdeckt zu beschaffen, hing
noch in der Schwebe, war noch nicht abschließend entschieden worden.
„Was ich aber nicht dulden kann, Herr Voß, ist
die Tatsache, dass Sie die Ermittlungen gefährden. Wie naiv muss ein
Anklagevertreter sein, um nicht zu erkennen, dass in unserem Fall der
Doppelmörder sofort gewarnt wird, wird er mit einem Gerichtsbeschluss zur
Speichelprobe ins Polizeipräsidium geladen. Wie Sie selber feststellten, Herr Staatsanwalt,,
müssen wir zwei bis drei Tage auf das Analyseergebnis warten und können erst
dann weitere strafprozessuale Maßnahmen ergreifen. Gelegenheit für den Täter,
sich dann aller ihn belastender Gegenstände zu entledigen“.
Der großspurige Staatsanwalt war endgütig
weidwund geschossen und würde, so glaubte Hanson, fortan einen konzilianteren
Umgang mit der Kieler Mordkommission pflegen. Voß kaute nervös auf der
Innenseite seiner linken Wange und suchte seine Wut zu verbergen.
„Nun reicht’s“, das wird Folgen haben, Herr
Hauptkommissar, Folgen die Ihrer Karriere schaden werden, das verspreche ich
Ihnen“, sprach`s und eilte zur Tür.
„Ach, Herr Staatsanwalt, Ihre Drohungen stoßen
ins Leere, Karriere hat bei mir schon lange keine Priorität mehr. Dieser Zustand,
Herr Voß, ist wunderbar, er lässt mich ohne Scheu und Hemmungen agieren. Sie,
Voß, sollten es mir gleich tun, vielleicht wären Sie ohne Karrieredruck im
Nacken eine Spur sympathischer und weniger krankhaft eitel, was unserer
Zusammenarbeit sicher dienlicher wäre“.
Der Anklagevertreter verließ mit hochrot
eingefärbtem Kopf und wutschnaubend den Besprechungsraum und warf die Tür von
außen laut ins Schloss. Keiner, auch Hanson nicht, glaubte, dass seine letzten
Worte vom Anklagevertreter wahrgenommen wurden. Schwerer
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