Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
der
Haustür stehen“.
Hanson griff sich Stift und Zettel und konnte
sofort den Namen der Frau der Toyota-Halterin zuzuordnen. Die Kettenraucherin
aus dem Wald. Schreckensstarr kritzelte er die Telefonnotizen flüchtig auf die
Rückseite seiner Besprechungsunterlagen. Er würde sie später kaum entziffern
können. Wieder zwei tote Kollegen. Bachner, Rütter und nun zwei tote Kollegen
von der Schutzpolizei. Hanson ahnte, auch sie waren direkte oder indirekte
Folgeopfer des ersten Mordes, sozusagen waren es Opfer in einer multikausalen
Handlungslinie. Wenn die Erfahrung eines lehrte, war es die Tatsache, dass mit
jedem neuen Opfer der gesamte Handlungsablauf komplexer wurde. Und je komplexer
ein Ablauf ist, desto mehr tatspezifische Spuren werden gesichert, desto
erfolgversprechender ist die Spurenauswertung.
Oder waren es bei kritischer Betrachtung
Folgeopfer seines Versagens, nervte sein zweifelndes, kritisches Gewissen.
Vorausgesetzt das Pärchen hat im Klosterforst
den Staatssekretär und den Kollegen Bachner erschossen, dann musste ein
unbekannter Dritter diese Mitwisser zum Schweigen gebracht haben. Waren sie dem
Unbekannten denn schon so dicht auf den Fersen, dass er sich mit einer solchen
Kaltblütigkeit zu retten versuchte? Wurde dieser Mensch langsam nervös? Wenn
ja, was schlummerte da unerkannt in den Ermittlungsakten, wodurch sich der
Drahtzieher in Gefahr wähnte? Von den verdeckten DNA-Recherchen und den
sichergestellten Vergleichskippen aus dem Toyota, konnte dieser Täter nichts
wissen. Was aber hat den Täter in Bedrängnis gebracht? Nichts Relevantes fiel
Hanson ein, nicht der kleinste Fingerzeig auf einen Verdächtigen tat sich auf. Dafür
erinnerte er sich urplötzlich wieder an den unerfreulichen Streit mit Voß.
Sollte dieser forsche Schmalspurstaatsanwalt tatsächlich recht behalten. Wären
die vier Toten in der Hopfenstraße noch am Leben, wenn man mit einem
offiziellen Gerichtsbeschluss zur Speichelprobenentnahme in der Wohnung
aufgetaucht wäre? Es war schon deprimierend, vier tote Kollegen und nicht einen
einzigen konkreten Hinweis auf den, der die Fäden zog, der aus dem Dunkeln
alles zu steuern schien und mit einer Brutalität agierte, die man in Kiel noch
nicht erlebt hatte.
Voß, dieser eingebildete Staatsanwalt, der den
größten Blödsinn schönreden konnte und persönliches Versagen ins Positive zu
wenden verstand, würde diese vier Toten zu seinem Vorteil zu nutzen wissen. Er
würde alle, vom Generalstaatsanwalt bis hin zum Polizeipräsidenten, mit seiner
Eloquenz glattzüngig die Toten der gesamten Mordkommission anlasten, würde alle
zu überzeugen versuchen, er, Hanson, und sein eklatantes Versagen sei
ursächlich verantwortlich. Mit einem regulären Gerichtsbeschluss wäre die
Polizei womöglich erst in einigen Tagen in der Wohnung aufgetaucht und die
Schutzleute lebten noch. Die Verantwortung für den Tod der beiden Kollegen
konnte und wollte Hanson nicht übernehmen. Beide waren zur falschen Zeit am
falschen Ort. Schicksal!
Es schien, als sei sein Gesichtsausdruck bar
jeder Regung, obwohl ihn eben noch tiefste Selbstzweifel plagten. Auch die
verbale Auseinandersetzung mit Voß lastete doch schwerer auf ihm, als er sich
eingestehen mochte. Hansons atmete dreimal tief durch, dann hatte er sich
wieder erholt. „In welcher Etage befindet sich die Wohnung?“, fragte er ins
Telefon.
„Im dritten Stock, habe ich schon gesagt“, wurde
ihm erwidert.
„Okay, ich möchte, dass das Treppenhaus, die
Wohnung und der verwaiste Streifenwagen so gesichert werden, dass jedem, ich
betone jedem, der Zugang verwehrt wird. Ich will auch keinen Kollegen in der
Wohnung sehen“.
„Dann müssen wir ja auf jedem Stockwerk einen
Posten platzieren, so viele Leute haben wir nicht zur Verfügung. Auch können
wir die anderen Hausbewohner nicht in ihren Wohnungen einsperren“.
Hansons Ton wurde schärfer und ließ keinen
Widerspruch mehr zu. „Herr Kollege Sie haben mich doch verstanden, ich spreche
doch kein chinesisch. Wenn Sie sich weiterhin in der Einsatzleitstelle Ihren
Hintern breit sitzen möchten, rate ich Ihnen, kein Jota von meinen Wünschen
abzuweichen. Und informieren Sie noch die Gerichtsmedizin, sie möge sich zum
Tatort begeben. Wir sind in einer halben Stunde dort. Und damit ist unser
Gespräch beendet. Guten Tag“.
Totenstille herrschte im Besprechungsraum. Nur
raschelndes Papier war zu hören. Peters, der Aktenführer, hielt schon den
entsprechenden Aktenvermerk in
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