Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
sollen sich die Leichen in der Gerichtsmedizin ansehen. In die
Wohnung kommt mir keiner rein ....“
Richtig, dachte Hanson, der inzwischen die dritte
Etage erreicht hatte, ohne Erlaubnis der Spurensicherung betritt keiner den
Tatort.
... „außer dem Leiter der Mordkommission, wenn
er mir verspricht, einen weißen Overall und Handschuhe anzuziehen und auch mit
Handschuhen nichts anzufassen versucht. Vielleicht diffundiert das Gift auch
durch unsere Einweghandschuhe“, vollendete Gerber seine Ausführungen, als er
seinen Freund durch Kopfnicken begrüßen konnte.
Hanson schluckte schwer. Ein Kloß hatte sich in
seinem Hals festgesetzt. Vielleicht sollte er das Terrain räumen, es dem
Bundeskriminalamt, besser dem Geheimdienst überlassen. Die waren personell,
apparativ und finanziell besser ausgestattet, hatten ganz andere
Möglichkeiten, waren sicher auch in der Lage den Schlüsselwort-Code zu knacken.
Er mit seiner kleinen Mordkommission von sieben Nasen stand vermutlich auf
verlorenem Posten.
„Gut, dass du da bist, Dag. Verschaff dir bitte
nur einen kurzen Überblick. Noch wissen wir nicht, mit welcher Heimtücke unser
Gegenüber hier agiert hat. Was sich in der Wohnung abgespielt hat, kann ich nur
erahnen. Alle sind vergif....“.
„Schon gut, Hagen. Ich habe alles auf dem
letzten Treppenabsatz gehört. Ich verspreche dir, nichts anzufassen. Du kannst
schon die Feuerwehr benachrichtigen, ich werfe nur einen kurzen Blick in die
Wohnung“.
„Erschrick nicht, wenn du das tote Pärchen
siehst. Es sind alte Bekannte. Deine offene Rechnung mit beiden ist heute
beglichen“, raunte Gerber zurück und flüsterte mehr für sich als zu seinem
Freund, „es wird dir Genugtuung verschaffen“. Doch das hörte Hanson nicht
mehr, er hatte sich schon erwartungsvoll in den Flur begeben. Die in
Seitenlagen im Flur liegende Frau starrte mit glanzlosen Augen ins Leere.
Hanson erinnerte sich nicht an ihr Gesicht. Sie war ihm unbekannt. In der Küche
lagen zwei uniformierte Kollegen, tot.
Beim Anblick der toten Mitarbeiter, konnte er
die Trauer und das Leid der Angehörigen erahnen. Andererseits waren ermordete
Polizisten immer ein Motivationsschub für den gesamten Fahndungsapparat. Jeder
Beamte der Kieler Polizei, jeder Polizist in Schleswig Holstein und darüber
hinaus im gesamten Bundesgebiet würde sich mit Hochdruck an der Verfolgung des
Täters beteiligen und die bundesweite Fahndung zu einem persönlichen Kreuzzug
werden lassen.
Der süßliche Leichengeruch ging nicht von den
beiden Schutzleuten aus. Ihre Leiber wiesen keine Verwesungserscheinungen auf.
Die im Flur liegende Frau und der lange Kerl auf dem Sofa rochen stark. Ihre
Gesichter waren bläulich und stark aufgedunsen, in beiden Augenpaaren bemerkte
Hanson Eier der gemeinen Stubenfliege. Ein sicheres Indiz, dass das Pärchen
Tage vor den beiden Polizisten das Zeitliche gesegnet haben musste. Einer der
Polizisten hatte noch seine vier rechten Finger zwischen Hemdkragen und Hals
stecken, als habe er noch in seiner letzten Lebenssekunde versucht, sich den
Schlips zu lockern, um mehr Luft atmen zu können. Hansons Blick wanderte im
Wohnzimmer umher. Zuerst realisierte er nur die Situation. Dann aber stockte
ihm der Atem. Er zwang seine Gedanken zurück und erinnerte sich an sein größtes
dienstliches Desaster, als ein quasi überführter Mörder den Gerichtssaal als
freier Mann verließ. Röder, war er es wirklich? Sollte es tatsächlich eine
überirdische Gerechtigkeit geben, die hier nach vielen Jahren zugeschlagen
hatte. Er war es, auf dem Sofa saß er, baumlang, mit leicht verkrampftem
Gesichtsausdruck. Gottes Mühlen mahlen eben doch langsam, aber sie mahlen,
mahlen unaufhörlich, dachte Hanson und lächelte matt in sich hinein. Ein
nochmaliger Blick zu der toten Frau überzeugte ihn schließlich. Jetzt erkannte
er beide. Sie war es, beide waren es.
Nein, als Heiliger galt Hanson nicht, ganz und
gar nicht. Mit Behagen nahm er die Ermordung des toten Pärchens für die vor
Jahren im Gerichtssaal erlittene Schmach zur Kenntnis.
Aber hieß der Tote nicht früher Röder? An ihren
Namen konnte sich Hanson nicht erinnern. Wusste aber, dass sie mit dem Toten
auf dem Sofa liiert war und vor Jahren in einem Mordprozess plötzlich
behauptete mit dem Beschuldigten verlobt zu sein. Gerber würde das tote Pärchen
daktyloskopieren und die genommenen Fingerabdrücke per Telebild dem
Bundeskriminalamt übermitteln. In wenigen Stunden waren unter Umständen
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