Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
pressefrei. Wie konnte
dieser Mensch davon wissen? Keine Frage, er musste einen Informanten bei der
Polizei haben. Wer aber war der Maulwurf, der vertrauliche Dienstgeheimnisse an
die Presse weitergab? Das Minenspiel seiner Kollegen verriet ihm, dass auch sie
genauso erschrocken waren.
„Kein Kommentar“.
„Aber, Herr Hanson, Sie können doch zugeben,
dass in Bremerhaven ein Täter ermittelt und angeklagt worden ist. Das Verfahren
wurde doch eingestellt, dass müssen sie doch wissen“.
„Kein Kommentar“.
„Kein Kommentar? Kein Kommentar ist wohl wie es
scheint, Ihr häufigster Kommentar. Der Buschfunk über Gerüchte in diesem
Präsidium ist ja bei Weitem informativer, wenn Sie mir diese Bemerkung
gestatten, Herr Hanson“.
Wolff räusperte sich: „Herr Boldt, wir können
Ihre Frage nicht beantworten, weil wir und die Bremerhavener Kollegen den Namen
des Betreffenden nicht kennen. Und ohne Personalien kann keine Polizei in
dieser Republik Recherchen starten“.
„Unglaublich“, triumphierte der Fragende,
„werden denn bei der Polizei keine Akten angelegt, in denen man nachschlagen
könnte?“
„Akten werden schon angelegt und geführt“,
entgegnete Wolff mit leichter Zornesröte. „Nur werden Erkenntnisse und
Ermittlungsergebnisse nach bestimmten Regeln erfasst und archiviert. Und eine
Regel besagt, dass bei Einstellung des Strafverfahrens, die Kriminalakten von
Erwachsenen nur fünf und von Heranwachsenden nur zweieinhalb Jahre aufbewahrt
werden dürfen, wenn die Bösewichter innerhalb dieser Zeit kriminalpolizeilich
nicht mehr auffällig werden. Alle Polizeien in dieser Republik archivieren oder
speichern nach diesen Richtlinien und überantworten ihre Kriminalakten dem
Reißwolf, wenn die Fristen für die Archivierung abgelaufen sind. Auch in
Bremerhaven sind diese Ermittlungsakten aus dem Waffendiebstahl vernichtet
worden, weil der Betreffende innerhalb dieser Frist nicht wieder straffällig
geworden ist oder es verstand, sich von der Polizei nicht erwischen zu lassen.
Dieses Regelwerk ist für jeden Ganoven höchst angenehm. Aber darüber zu
philosophieren ist müßig. Ist Ihre Frage damit ausreichend beantwortet?“
In allen Gesichtern der Medienvertreter
spiegelte sich Fassungslosigkeit wider. Keinem erschien Wolffs Aussage
glaubhaft.
„Tja, Herrschaften, willkommen im Rechtsstaat
Bundesrepublik und viele Grüße von unseren Datenschutzbeauftragten, die landaus
landein der Polizei das sachgerechte und effiziente Arbeiten viel zu oft
erschweren“, fügte die Pressereferentin des Ministeriums noch mit einem
sarkastischen Unterton hinzu.
Und diese Republik zu Tode schützen, dachte
Hanson grimmig, als die Referentin fortfuhr.
„Sie und Ihres Gleichen würden doch die
Sicherheitsorgane wie eine Sau vor sich hertreiben, wichen sie auch nur ein
Jota von diesem bundeseinheitlichen Regelwerk für die Aktenarchivierung ab“.
Haare auf den Zähnen? Nein, Stacheldraht war
treffender, überlegte Hanson belustigt. Allmählich schlich sich bei ihm so
etwas wie Bewunderung für diesen Blaustrumpf ein. Wacker focht sie mit den
penetrant eruierenden Medien und hielt sie mit bissigen Kommentaren in Schach.
So oder ähnlich hatte er sich die Pressekonferenz nicht vorgestellt, aber sie
gefiel ihm.
„Meiners, Hamburger Abendblatt“, meldete sich
eine Frau mittleren Alters. „Woher wissen Sie denn, dass in Bremerhaven ein
Strafverfahren gegen einen vermeintlichen Pistolendieb stattgefunden hat, wenn
die Kriminalakten dieser Person vernichtet worden sind, wie hier behauptet
wird“.
Das eisblaue Augenpaar über der Nickelbrille war
auf Hanson gerichtet.
„Selbstverständlich“, räusperte sich Hanson,
„sind in der bundesweiten Sachfahndungsdatei diese Waffen mit den
entsprechenden Nummern notiert, mit allen relevanten Daten wie Tatzeit, Tatort,
Aktenzeichen und so weiter versteht sich. Nur personbezogene Daten werden in
einer Sachfahndungsdatei nicht notiert. Personbezogene Daten und Akten werden,
wie wir eben gehört haben, nach Fristablauf der Archivierungszeiten vernichtet,
darüber wachen unsere Datenschützer eifersüchtig. Nebenbei hat uns bei der
Recherche der Vertriebswege auch die österreichische Waffenfabrik darauf
aufmerksam gemacht, dass diese beiden Pistolen aus einer Versandpartie in
Bremerhaven gestohlen worden sind. Leider ist der damals zuständige
Sachbearbeiter in Bremerhaven verstorben. Sein damaliger Assistent konnte sich
aber noch schwach erinnern, wusste auch, dass das
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