Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
unter’m Deckel“.
Kapitel 27
Kiel, Polizeipräsidium, Dienstag,
18.04.1995,14.45 Uhr
Das Problem mit den diebischen Kollegen duldete
keinen Aufschub, der Alte musste in Kenntnis gesetzt werden, das war Hanson
seinem Protektor schuldig. Wolffs Vorzimmerdame hatte Hanson kurzfristig
zwischen zwei Terminen vorgelassen und ihn gebeten, Platz zu nehmen, weil der
Präsident offensichtlich noch in einer Besprechung war.
Vielleicht würde sich Wolff auch nach den
Ermittlungsfortschritten erkundigen. Kurz und knapp würde Hanson berichten. In
den wenigen Minuten, die er nun schon in Wolffs Vorzimmer saß, war er alles
noch einmal chronologisch durchgegangen. Die einzige Spur, die sie hatten,
waren die Bilder von der Videoüberwachung. Wie Hanson den Alten einschätzte,
würde er diese Spur als lau, lauwarm bewerten. Hanson aber wusste, sie war
heiß. Nur beweisen konnte er es noch nicht. Seit gestern Nachmittag waren die
Fahndungsbilder in der polizeiinternen Verteilung. Jedes Polizeirevier in Kiel
dürfte mittlerweile damit versorgt worden sein. In zwei bis drei Tagen hatten
auch die durch den Wechseldienst bedingten Freischichten die Fahndung zur
Kenntnis genommen. Jetzt war Geduld und nerviges Warten in der Kommission
angesagt, Zeit in der die Akten schlüssig aufgebaut, Spuren bewertet und
logisch verknüpft werden konnten. Wie würde Wolff die Tatsache aufnehmen, dass
die Kollegen gleichsam als Strafe für ihren dreisten Diebstahl mit ihren Leben
bezahlt hatten.
Noch ahnte Hanson nicht, dass ihn das, was er
hören würde, wochenlang nicht einschlafen lassen würfde.
Nervös blickte Hanson auf seine Armbanduhr. Seit
fünfundzwanzig Minuten saß er nun schon im Vorzimmer seines Präsidenten. Frau
Köhler hob ihre Schultern als wollte sie sich bei Hanson entschuldigen.
„Sie müssen sich noch ein wenig gedulden, Herr
Hanson“. Durch die geschlossene Tür drang nur leises Stimmengewisper. Ohne ein
Wort zu verstehen, konnte Hanson aber die Stimme seines Chefs an seiner
typischen Klangfarbe erkennen. Dieses markante Timbre hatte er in Wiesbaden
viel zu oft hören müssen, es verfolgte ihn seinerzeit auch in seinen Träumen,
in seinen schlimmsten Alpträumen. Gott sei Dank waren diese Zeiten vorbei. Die
andere Stimme war ihm unbekannt. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte sie
nicht identifizieren.
Als hätte Frau Köhler seine Bemühungen erahnt,
erklärte sie unvermittelt und ohne ihre Arbeit zu unterbrechen: „Wir haben
einen hohen Besuch im Hause. Der Herr Generalstaatsanwalt hat sich in die
Niederungen der Polizeiarbeit begeben“.
Im selben Augenblick tönte aus der
Gegensprechanlage die Stimme seines Präsidenten: „Frau Köhler zwei Kaffee bitte
und einen Cognac für mich und den Herrn Generalstaatsanwalt“.
Rasch bewaffnete sich die gute Seele mit einer
Kaffeedose, Filtertüten, einer Thermoskanne und ließ Hanson allein, um in einem
Nebenzimmer zu verschwinden.
„ ... so, der Innenminister fordert also
Resultate oder Köpfe. Na gut, meinen kann er haben, aber ich lasse es nicht zu,
dass mein bester Mann gegrillt wird. Und was die Desinformationsartisten
angeht“, war weiter von Wolff zu vernehmen, „denen ist nicht zu trauen“.
Offensichtlich hatte er vergessen, die
Gegensprechanlage auszuschalten.
„Wir sollten uns einig sein, diese Typen von der
Schlapphutfraktion, ob sie nun aus Pullach oder Köln kommen, nicht mit ins Boot
zu nehmen. Weder der Bundesnachrichtendienst noch der Verfassungsschutz sind an
einer strafrechtlichen Verfolgung interessiert, sind nicht der
Strafprozessordnung pflichtschuldig. Ihre Zielrichtung ist nie die Ermittlung
oder Ergreifung von Straftätern. Sie werden unsere Erkenntnisse in sich
aufsaugen und nie über die Auswertung dieses Inputs mit uns reden wollen.
Selten sind ihre Interessen mit unseren deckungsgleich. Sie werfen den Schleier
der Geheimhaltung über alles und lassen uns am steifen Arm verhungern, wenn es
um Informationen geht. Okay, das Bundeskriminalamt kann uns apparativ bei der
Auswertung der Spuren unterstützen. Lieber Freund, nach meiner Einschätzung
wäre es auch unverzeihlich und für die Sache tödlich, mitten im Beritt Ross und
Reiter zu wechseln. Mein Mann ist mit seiner Crew auf gutem Wege“.
„Ihr bester Mann scheint ein wenig unbeherrscht
zu sein. Sie sollten ihn schärfer an die Kandare nehmen“.
„Um Gottes Willen, genau das werde ich nicht
tun. Er braucht die Freiheit des Handelns. Nur dann läuft Hanson zur
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