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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Thalia; vielleicht noch mehr, die nicht zu sehen waren. Sie standen nicht mehr nur herum, aber sie hatten auch keine erregten Grüppchen gebildet wie ein aufgebrachter Mob.
    Nein. Das war ein einziger fester Block, die Menschen
    drängten sich dichter zusammen, als es Sitte und Anstand eigentlich erlaubten. In Thalia keimte ein erster Verdacht, den Meriel Redon bereits in Worte fasste.
    »Sie werden zusammengetrieben«, sagte sie leise. »Die
    Maschinen treiben sie zusammen.«
    Thalia sah, dass die Möbelschreinerin recht hatte. Die
    Menschen waren von mindestens einem Dutzend Servomaten umringt. Die plumpen Körper waren selbst von oben un-verwechselbar. Einige bewegten sich auf Rädern oder Ketten vorwärts, andere auf schneckenförmigen Ballen, wieder andere auf Beinen. Thalia glaubte, mindestens einen der leuchtend blauen Gärtner-Servomaten zu erkennen, an denen sie auf dem Weg zum Votenprozessor vorbeigekommen waren,
    und sah im Geiste die gefährlich blitzenden Arme, mit denen er die Hecke zu einem Pfau beschnitten hatte.
    »Das gefällt mir gar nicht«, sagte sie.
    »Die Gendarmen müssen die Servomaten dienstverpflich-
    tet haben«, beschwichtigte Caillebot.
    Parnasse deutete mit seinem dicken Zeigefinger auf einen Mann im Bild, der ein leuchtend orangerotes Band um den Oberarm trug. »Ich möchte dir deine Illusionen wirklich nicht nehmen, aber ich glaube, das ist ein Gendarm. Und die Maschinen behandeln ihn nicht anders als alle anderen.«
    »Dann ist er sicher ein Hochstapler, der nur das Armband eines Gendarmen trägt. Die Maschinen können nur auf Befehl der amtlich bestellten Gendarmen handeln.«
    »Und wo sind dann diese Gendarmen?«, fragte Parnasse.
    Caillebot sah ihn ärgerlich an. »Keine Ahnung. Vielleicht schicken sie nur ihre Anweisungen von irgendwoher.«
    Parnasse war zu Recht nicht überzeugt. »Ohne Abstrak-
    tion? Womit denn, mit Brieftauben?«
    »Könnten die Maschinen darauf programmiert sein, sich
    bei einem zivilen Notstand so zu verhalten?«, überlegte Kedon. »Sie tun nur das, was die Gendarmen täten, wenn
    sie hier wären.«
    »Ist so etwas schon einmal passiert?«, fragte Thalia.
    »Nicht solange ich denken kann«, sagte Redon.
    »Es hat Unruhen gegeben«, sagte Parnasse. »Stürme im
    Wasserglas. Aber die Maschinen haben sich noch nie wie
    Gendarmen benommen.«
    »Dann ist das wohl auch jetzt nicht der Fall«, sagte
    Thalia.
    »Was sonst?«, fragte Parnasse.
    Er ging ihr zunehmend auf die Nerven, aber sie bewahr-
    te Ruhe. »Ich fürchte allmählich, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Mir scheint, wir werden soeben
    Zeugen einer Machtübernahme.«
    »Durch wen?«, fragte Caillebot. »Ein anderes Habitat?«
    »Ich weiß es nicht. Deshalb muss ich mir die Sache mit
    eigenen Augen ansehen. Ich möchte, dass Sie alle vier hier bleiben und sich ruhig verhalten, bis ich zurück bin. Wenn Sie innerhalb von fünf Minuten nichts von mir hören, versuchen Sie, allein die Endkappe zu erreichen.«
    »Haben Sie den Verstand verloren?«, fragte Redon.

    »Nein«, antwortete Thalia. »Ich bin nur im Dienst. Hier sind Menschen in Not, und die hiesige Ordnungsmacht
    scheint nicht einzugreifen. Damit ist Panoplia zuständig.«
    »Aber Sie sind doch ganz allein.«
    »Ist es dann nicht umso wichtiger, dass ich tätig werde?«
    Thalia gab sich mutiger, als sie sich fühlte. Sie klopfte auf ihren Ärmel. »Fünf Minuten. Ich meine es ernst.«
    Sie verließ den schützenden Bogen und huschte, die
    Hundepeitsche wie einen Knüppel in der rechten Hand, von Deckung zu Deckung. Sobald sie die Gruppe mit ihren
    Ansprüchen und ihrem Gezänk hinter sich gelassen hatte, konnte sie auch wieder logisch denken. Servomaten waren darauf programmiert, bis zu einem gewissen Grad selbstständig zu handeln, aber wenn man nicht ganz besondere
    neue Routinen zur Massenkontrolle überspielt hatte, konnten die koordinierten Aktivitäten, die sie in der Aufzeichnung der Eule gesehen hatte, nur bedeuten, dass sie ferngesteuert wurden. Was wiederum hieß, dass die Abstraktion nicht völlig ausgefallen sein konnte.
    Die Spezialbrille fiel ihr wieder ein, und sie ärgerte
    sich, dass sie nicht früher daran gedacht hatte. Sie zog sie mit der linken Hand aus der Tasche ihrer Uniformjacke und streifte sie über. Die Aussicht veränderte sich kaum, was ihr bestätigte, dass die Abstraktion nicht vorhanden oder zumindest stark eingeschränkt war. Aber unten rechts in ihrem Sichtfeld tanzten Symbole, ein Zeichen,

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