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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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genommen«, fuhr Parnasse ihn
    an. »Du weißt doch noch, was eine Treppe ist?«
    Caillebot warf ihm einen warnenden Blick zu, antwortete aber nicht.
    Der Fahrstuhl glitt weiter und passierte die Engstelle, wo die Kugel in die Säule überging. Durch den hohlen Innenschacht ging es weiter. Tief unten sahen sie durch das vergitterte Glasfenster an der Außenseite der Kabine die verlassene Eingangshalle. Thalia hatte eigentlich erwartet, dass sich wenigstens einige Bürger am Votenprozessor versammelt hätten, um zu fragen, was denn passiert sei und wann genau alles wieder in Ordnung käme, aber niemand war da.
    Wieder tastete sie nach ihrer Hundepeitsche, ohne dass sie genau hätte sagen können, warum.
    Die Kabine beendete ihre Fahrt und hielt in der Eingangshalle weich an. Die Scherengitter öffneten sich klappernd.
    Wieder war Thalia überrascht von der Leere. Die Halle kam Ihr noch stiller vor als beim ersten Mal, jeder Schritt hallte laut wider.
    »Also dann«, sagte sie, »wir bleiben zusammen. Es ist,
    wie jemand von Ihnen sagte, hier draußen könnten sich ein paar aufgebrachte Bürger zusammengerottet haben, und
    wenn sie uns sehen, lassen sie ihre Wut womöglich an uns aus.«
    Sie traten ins Freie, es war diesig, und durch den Fenster-bogen acht Kilometer über ihnen fiel bläuliches Sonnenlicht herein. Ringsum breiteten sich Zierteiche und Rasenflächen sowie ein Netz von sorgsam gepflegten Kies- und Steinwe-gen aus. Irgendwo in der Nähe plätscherten noch Spring-
    brunnen. Alles wirkte so völlig normal, wie Thalia erwartet hatte, nur der randalierende Mob fehlte. Vielleicht tat sie den Bürgern von Aubusson unrecht. Doch dann erinnerte
    sie sich, wie schnell sich die Stimmung im Empfangskomitee gegen sie gerichtet hatte. Wenn diese Leute tatsächlich repräsentative Vertreter der Bürgerschaft waren, hatte sie allen Grund, von den übrigen achthunderttausend eine
    ähnlich unfreundliche Reaktion zu erwarten.
    »Ich höre Stimmen«, sagte Caillebot plötzlich. »Sie kommen, glaube ich, von der anderen Seite des Turms.«
    »Ich höre sie auch«, sagte Parnasse. »Aber wir gehen nicht in diese Richtung. Der kürzeste Weg zur Endkappe führt
    geradeaus zwischen diesen Bäumen hindurch.«
    »Vielleicht sollte ich mit ihnen reden«, schlug Thalia vor. »Ich könnte ihnen erklären, was geschehen ist, und dass es nicht mehr lange dauert, bis alles wieder in Ordnung kommt.«
    »Wir hatten einen Plan, junge Frau«, mahnte Parnasse.
    »Wir wollten auf unser Ziel zugehen und möglichst jeden Ärger vermeiden. Wenn ich mich nicht irre, klingen diese Stimmen nicht gerade freundlich.«
    »Ich bin auch dafür«, sagte Meriel Redon.
    Thalia biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte die Stimmen hinter dem Plätschern des Springbrunnens ebenfalls ge-hört, viele Stimmen, die aufgeregt und zornig klangen.
    Rufe, die sich zu Schreien zu steigern drohten.
    Ihre Hand umfasste die Hundepeitsche fester. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Das war kein Pöbel, der sich an seiner eigenen Wut und Empörung berauschte und den
    Kopf des Verbrechers verlangte, der ihm die geliebte Abstraktion genommen hatte.
    Das waren verängstigte Menschen.
    »Hören Sie«, sagte Thalia, bemüht, wenigstens die eigene Stimme von Angst frei zu halten. »Ich muss nachsehen, was da vorgeht. Das ist meine Pflicht als Präfekt. Sie gehen weiter in Richtung Endkappe. Ich komme nach.«
    »Es hört sich nicht gut an«, gab Parnasse zu bedenken.
    »Ich weiß. Deshalb muss ich ja nachsehen.«
    »Es ist nicht Ihr Problem«, sagte Caillebot. »Falls es zu Unruhen kommt, werden unsere Gendarmen schon damit
    lertig. Dazu sind sie schließlich da.«
    »Sie unterhalten eine ständige Ordnungsmacht?«
    Der Gärtner schüttelte den Kopf. »Nein, aber das System hat sicherlich eine Reihe von Bürgern zu Gendarmen bestimmt, so wie wir zu Ihrem Empfangskomitee bestimmt
    wurden.«
    »Das System funktioniert nicht mehr«, wandte Parnasse ein.
    »Dann werden die Personen, die beim letzten Mal be-
    stimmt wurden, ihre Pflichten von sich aus wiederaufnehmen.«
    »Wann genau war das letzte Mal?«, fragte Thalia. Die erregten Stimmen wurden lauter. Nun klangen sie wie das
    Kreischen aufgestörter Wildvögel.
    »Ich weiß nicht mehr. Ist ein paar Jahre her.«
    »Schon eher zehn Jahre«, verbesserte Meriel Redon. »Und selbst wenn sich die Gendarmen selbst mobilisieren sollten, wie kommen sie an ihre Einsatzorte, wenn die Züge
    nicht fahren?«
    »Wir haben keine Zeit, das

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