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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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unter
    der Haut und unter den Knochen. In den wilderen Habita-

    ten mochte man sich von den Meistermischern ein exoti-
    sches Äußeres verpassen lassen, aber die Funktionsarchitektur veränderte man nur selten. Selbst diejenigen, die an höhere Abstraktionsstufen angeschlossen waren, verarbei-teten die Daten, die in ihr Gehirn geleitet wurden, noch so wie gewöhnliche Menschen. Das konnte man von der Synthetikerin nicht sagen. Sie mochte fähig sein, ein menschliches Bewusstsein zu emulieren, wenn es gerade in ihre Pläne passte, aber ihren natürlichen Geisteszustand würde Dreyfus ebenso wenig erfassen können, wie ein Pferd imstande war, Algebra zu verstehen.
    »Würden Sie mir Ihren Namen sagen?«, fragte Dreyfus.
    »Für Sie werde ich mich Clepsydra nennen. Wenn Ihnen
    das nicht gefällt, können Sie auch Wasseruhr oder einfach Uhr zu mir sagen.«
    »Das klingt nicht so, als wäre es Ihr richtiger Name.«
    »Mein richtiger Name würde Ihnen den Schädel spalten
    wie eine Axt.«
    »Dann also Clepsydra. Könnten Sie mir vielleicht auch
    noch verraten, was Sie hier eigentlich tun?«
    »Ich überlebe. Damit war ich in letzter Zeit vollauf beschäftigt.«
    »Erzählen Sie mir von diesem Schiff. Wieso ist es hier?
    Was fängt Aurora damit an?«
    »Unser Schiff ist vor fast fünfzig Jahren in dieses System zurückgekehrt. Wir waren nach einer Begegnung in den
    Tiefen des interstellaren Raums in Schwierigkeiten: Wir waren auf ein Maschinenwesen gestoßen, das von Grund
    auf böse war. Das Schiff hatte die Begegnung nur überstanden, indem es einen Teil von sich abstieß, ähnlich wie eine Eidechse ihren Schwanz abwirft. Auf dem langen Weg zu-rück hatte es sich regeneriert, so gut es konnte, aber nicht alle Schäden waren behoben. Wir wollten Verbindung zum
    Mutternest aufnehmen, aber unsere Kommunikationssys-
    teme arbeiteten nicht richtig.« Clepsydra schluckte und sah dadurch ganz plötzlich wie ein hilfloser Mensch aus. »Aurora fand uns zuerst, lockte uns mit dem Versprechen, uns helfen zu wollen, an diesen Ort und hielt uns dann hier fest.
    Seither sind wir in dieser Höhle: Wir konnten weder fliehen noch eine Nachricht an das Nest schicken.«
    »Ich weiß immer noch nicht, was Aurora von Ihnen
    wollte.«
    »Das ist auch schwierig zu erklären.«
    »Versuchen Sie es.«
    »Aurora wollte, dass wir träumen, Präfekt. Deshalb hielt Hie uns hier fest. Sie zwang uns, die Zukunft zu träumen.
    Sie wollte Informationen über künftige Ereignisse. Wir
    gaben Prognosen ab. Und wenn ihr etwas an unseren Prog-
    nosen nicht gefiel, bestrafte sie uns.«
    »Niemand kann die Zukunft träumen.«
    »Wir schon«, lächelte Clepsydra. »Wir haben eine Maschine, die das zulässt. Wir nennen sie Exordium.«

    Thalia und ihr Fußtrupp erreichten den Fahrstuhlschacht, der die Kugel in der Mitte von Pol zu Pol durchbohrte. Die geräumige Kabine mit den blassgelben Aquarellen, die Ansichten von Yellowstone zeigten, wartete immer noch so, wie sie sie verlassen hatten.
    »Er hat Energie«, sagte Parnasse. »Das ist gut. Wir sollten ohne Schwierigkeiten nach unten kommen.«
    Thalia, die als Letzte von den fünfen eingestiegen war, machte den Eingang frei. Die Scherengitter schlossen sich hinter ihr.
    »Er bewegt sich nicht. Ich habe ihn wiederholt aufgefordert, aber er bewegt sich nicht«, sagte Caillebot.
    »Das liegt daran, dass er dich nicht hören kann. Die Abstraktion funktioniert nach zwei Richtungen«, sagte Parnasse mit dem müden Tonfall eines Mannes, der solche Erklärungen eigentlich nicht für nötig hielt.
    »Und wie setzen wir den Fahrstuhl in Bewegung? Gibt es
    eine manuelle Steuerung?«
    »Noch brauchen wir die nicht. Nicht wahr, Thalia?«
    »Er hat recht«, sagte sie. »Panoplia-Agenten müssen sich frei bewegen können, wo und wann sie unterwegs sind,
    auch ohne Abstraktion. Stimmmuster von befugtem Perso-
    nal werden routinemäßig an alle Habitate ausgegeben.« Sie hob die Stimme. »Hier spricht Unterpräfekt im Außendienst Thalia Ng. Erkennung erbeten.«
    »Stimmmuster erkannt, Unterpräfekt Ng.«

    Thalia atmete auf. »Bitte bring uns nach unten.«
    Einen beklemmenden Moment lang geschah gar nichts,
    dann setzte sich der Fahrstuhl abwärts in Bewegung.
    »Gut, dass das geklappt hat«, flüsterte Thalia. Parnasse schmunzelte verstohlen, als hätte er es gehört.
    »Ein Glück«, sagte Caillebot. »Ich hatte mich schon ge-
    fragt, was wir wohl tun würden, wenn wir hier oben festsaßen.«
    »Wir hätten die Treppe

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