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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wenn ich genau weiß, dass das nicht stimmt. Zeige uns, dass die ersten zwei Angriffe versehentlich durch überemp-findliche Verteidigungssysteme ausgelöst wurden, die wie kopflose Schlangen zuckten, als die Abstraktion abstürzte.
    Seine Gebete wurden nicht erhört. Elf Minuten, nachdem
    die Agentin gesprochen hatte, eröffneten die Kollisionsabwehrsysteme von Szlumper Oneill das Feuer auf die anfliegende Drohne und zerstörten sie. Der Angriff war womög-
    lich noch konzentrierter und noch gezielter als in den ersten beiden Fällen. Das bunte Pünktchen, das die Drohne darstellte, blähte sich zu einem daumengroßen Glitzerfleck auf und wurde dann zu einem pulsierenden Tetraeder, dem Symbol für ein unbekanntes Objekt.
    Drei Minuten später versuchte eine zweite Drohne, an
    Haus Aubusson anzudocken, und erlebte genau das gleiche Schicksal. Fünf Minuten danach wurde eine dritte Drohne beim Abbremsen vor dem Andocken an das Karussell New
    Seattle-Tacoma zerstört. Weitere drei Minuten nach die-
    sem Ereignis, zweiundzwanzig Minuten nach der Ankündi-
    gung der Agentin, nahmen die Geschütze des Stundengla-
    ses Chevelure-Sambuke die letzte Drohne unter schweren
    Beschuss.
    Das Systemmodell fiel in die gewohnte Konfiguration zu-
    rück. Erschüttertes Schweigen lag über dem Raum.
    »Also sind wir vielleicht doch im Krieg«, sagte Baudry
    endlich.

    Die Isolationszelle war nach Art einer Honigwabe mit einheitlich grauen, ineinander greifenden Paneelen vertäfelt, von denen eines als Zugangswand diente. Einige der Paneele waren immer erleuchtet, aber das Muster wechselte langsam und willkürlich, so dass der schwerelos treibende Gefangene keinen festen Bezugsrahmen hatte. Clepsydra
    schwebte frei in der Luft, die Knie an die Brust gezogen, die Arme um die Schienbeine gelegt. Sie schien nicht bei Bewusstsein zu sein, aber jedermann wusste, dass Synthetiker so etwas wie den normalen Schlaf der Säugetiere nicht kannten.
    Da sie offenbar nicht bemerkt hatte, wie Dreyfus durch
    die Zugangswand kam, räusperte er sich leise. »Clepsydra«, sprach er sie an, »ich bin es.«
    Sie drehte den Schädel mit dem Mähnenkamm in seine
    Richtung, ihre Augen glänzten matt im gedämpften Licht.
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    Auf diese Frage war Dreyfus nicht gefasst. »Seit der Verlegung aus Merciers Klinik? Erst ein paar Stunden.«
    »Ich verliere schon wieder jedes Zeitgefühl. Wenn Sie
    >Monate< gesagt hätten, hätte ich Ihnen vielleicht auch geglaubt.« Sie verzog das Gesicht. »Ich mag diesen Raum
    nicht. Er ist mir unheimlich.«
    »Sie müssen sich sehr abgeschnitten vorkommen.«
    »Ich mag nur den Raum nicht. Er ist so tot, dass ich anfange, Gespenster zu sehen. Ständig bemerke ich Bewegungen aus dem Augenwinkel, aber wenn ich den Kopf drehe,
    ist nichts da. So schlimm war es nicht einmal im Innern des Felsens.«
    »Ich muss mich entschuldigen«, sagte Dreyfus. »Ich habe einen Verfahrensfehler begangen, als ich Sie ohne Rücksicht auf unsere Amtsgeheimnisse nach Panoplia brachte.«
    Clepsydra reckte sich träge wie eine Katze. In dem schall-schluckenden Raum klang ihre Stimme eigenartig metal-
    lisch. »Werden Sie deshalb Ärger bekommen?«, fragte sie besorgt.
    Er musste lächeln. »Wohl kaum. Es ist nur eine kleine
    Protokollverletzung. Ich habe schon schlimmere Stürme
    überdauert. Außerdem ist ja kein Schaden entstanden.« Er legte den Kopf schief. »Es ist doch kein Schaden entstanden?«
    »Ich habe vieles gesehen.«
    »Daran zweifle ich nicht.«
    »Vieles, was nicht von Interesse für mich war«, erläuterte sie. »Zu Ihrer Beruhigung kann ich Ihnen sagen, dass ich diese Geheimnisse tief in meinem Unterbewusstsein vergraben habe. Einfach vergessen kann ich sie nicht: Das ist eine Fähigkeit, die uns abgeht. Aber soweit es Sie betrifft, sind sie so gut wie vergessen.«
    »Danke, Clepsydra.«
    »Aber damit ist die Sache doch nicht ausgestanden, nicht wahr? Sie mögen mir glauben, aber die anderen nicht.«
    »Ich werde sie schon überzeugen. Sie sind eine geschützte Zeugin, keine Gefangene.«
    »Aber ich kann nicht ohne Weiteres gehen.«
    »Weil wir befürchten, dass Ihnen jemand nach dem Leben
    trachtet.«
    »Wäre das nicht mein Problem?«
    »Nicht, solange wir glauben, Sie hätten uns noch etwas
    Brauchbares zu erzählen.« Dreyfus war zwei Meter vor
    Clepsydras schwebender Gestalt zum Halten gekommen

    und richtete sich nun ebenso aus wie sie. Er hatte vor
    dem Eintreten alle Waffen und Kommunikationsgeräte

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