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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ein-
    schließlich seiner Hundepeitsche abgelegt. Nun kam ihm
    erstmals so richtig zu Bewusstsein, dass er sich mit einem ausnehmend wendigen Wesen, halb Mensch und halb Maschine, das ihn mühelos töten konnte, allein in einem Raum befand, der den Überwachungssystemen nicht zugänglich
    war. Bei der Autopsie toter Synthetiker hatte man Muskel-fasern gefunden, die von der Physiologie der Schimpansen abgeleitet waren und ihnen mehr als das Sechsfache normaler menschlicher Kräfte verliehen. Clepsydra mochte geschwächt sein, aber sie könnte ihn sicherlich ohne große Schwierigkeiten überwältigen, wenn sie das wollte.
    Sein Unbehagen hatte sich offenbar kurz in seinen Zügen gespiegelt.
    »Ich mache Ihnen immer noch Angst«, sagte sie sehr
    leise. »Dennoch sind Sie unbewaffnet, Sie haben nicht einmal ein Messer bei sich.«
    »Ich habe schließlich meinen scharfen Verstand.«
    »Jetzt sagen Sie mir bitte genau, was ich zu befürchten habe. Es ist doch etwas geschehen? Etwas sehr, sehr Schlimmes.«
    »Es hat angefangen«, sagte Dreyfus. »Aurora will die
    Macht übernehmen. Wir haben vier Habitate verloren. Alle Schiffe, die dort landen wollten, wurden beschossen.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass sie so schnell handeln
    würde.«
    »Als Sparver und ich Sie fanden, muss ihr klar geworden sein, dass ihr Panoplia dicht auf den Fersen war. Sie beschloss, sich mit den vier Habitaten zu begnügen, die bereits geschwächt waren, anstatt zu warten, bis das Update in allen zehntausend installiert wäre.«
    Clepsydra sah ihn verständnislos an. »Aber was hat sie
    davon? Selbst wenn Sie jetzt diese Habitate verloren haben, haben Sie doch weiterhin Zugriff auf das restliche Glitzerband mit allem, was dazugehört, von Panoplias eigenem
    Potenzial ganz zu schweigen. Dagegen wird sich Aurora
    nicht ewig behaupten können.«
    »Vermutlich sieht sie das anders.«
    »Wann immer ich in Auroras Bewusstsein eindrang, spür-
    te ich ihre große strategische Begabung; wie eine Maschine sondierte und bewertete sie unermüdlich die sich verän-dernden Wahrscheinlichkeiten. Sinnlose Gesten oder ele-
    mentare Fehleinschätzungen sind ihr völlig fremd.« Clepsydra unterbrach sich. »Hat sie schon offiziell Verbindung zu Ihnen aufgenommen?«
    »Sie hat keinen Mucks gemacht. Wir haben nur unsere
    Theorie über die Nerwal-Lermontows, in Wirklichkeit wissen wir immer noch nicht, wer sie ist.«
    »Sie glauben, sie war eine von den Achtzig?«
    Dreyfus nickte. »Aber nach allen unseren Informationen
    sind die Achtzig ausnahmslos zugrunde gegangen. Aurora
    war einer der berühmtesten Fälle. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir uns da getäuscht haben sollen.«
    »Angenommen, an ihrer Simulation wäre irgendetwas
    anders gewesen? Ein wesentlicher Punkt, der sie von den anderen unterschied? Ich erwähnte ja schon, dass wir Calvin Sylvestes Versuche verfolgt hatten. Wir wissen, dass er nach jedem Freiwilligen einige Neuralabbildungs- und Si-mulationsparameter leicht veränderte. Oberflächlich be-
    trachtet hatte das keinen Einfluss auf den Ausgang des Experiments. Vielleicht aber doch?«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen. Ist sie nun gestorben, oder ist sie nicht gestorben?«
    »Bedenken Sie Folgendes, Präfekt. Nach der Transmigra-
    tion war Aurora in ihrer Alpha-Verkörperung bei vollem Bewusstsein. Sie erkannte die anderen neunundsiebzig Freiwilligen und stand mit vielen von ihnen in enger Verbindung.
    Sie hatten gehofft, eine Geistesgemeinschaft bilden zu können, eine Elite von Unsterblichen, die über dem Rest der körperverhafteten Menschheit standen. Doch dann erlebte Aurora, wie die anderen versagten, wie ihre Simulationen blockierten oder sich in rekursiven Endlosschleifen verfingen. Und sie bekam Angst um sich selbst, obwohl sie
    vermutete, dass sie anders sein könnte, immun gegen die Schwäche, mit der ihre Kameraden behaftet waren. Aber
    hinter ihren größten Ängsten steckte etwas ganz anderes.«
    »Nämlich?«, fragte Dreyfus.
    »Als der Letzte der Achtzig gescannt wurde, war bereits ins Bewusstsein der Massen eingesickert, was Calvin tatsächlich vorhatte. Er wollte nicht einfach nur eine neue Form der Unsterblichkeit, eine Verbesserung dessen, was mit Drogen, chirurgischen Eingriffen und Nanomaschinen
    ohnehin erreichbar war. Calvin strebte die Schaffung einer beispiellosen höheren Existenzform an. Die Achtzig wären nicht nur unverwundbar und alterslos gewesen. Sie sollten schneller und klüger sein, nahezu unbegrenzt in

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