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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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getan«, sagte Dreyfus. »Ich bin sicher, dass sie es vorhatte, als ich ging.«
    »Noch ist es nicht zu spät«, sagte Baudry. »Ich werde nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zur Notabstimmung aufrufen. Die Ergebnisse können innerhalb von
    zwanzig Minuten vorliegen. Damit bleibt uns genügend
    Zeit, um den Kreuzer auszurüsten.«
    »Wenn der Antrag nicht abgelehnt wird«, sagte Dreyfus.
    »Das wird nicht geschehen. Ich werde sehr deutlich ma-
    chen, dass wir diese Waffen brauchen.«
    »Und dabei noch mehr Unruhe erzeugen?«, fragte Gaff-
    ney und legte skeptisch den Kopf schief. »Sie müssen sehr behutsam zu Werke gehen. Wenn die Bürger den leisesten
    Verdacht schöpfen, dass es hier um mehr gehen könnte als nur einen kleinen Streit mit den Ultras, haben wir alle Hände voll damit zu tun, die Panik in Schach zu halten.«
    »Ich werde auf Diskretion bedacht sein«, versprach Bau-
    dry mühsam beherrscht.
    »Ich hoffe, die Abstimmung geht für uns aus«, sagte Dreyfus. »Doch selbst dann ist ein Kreuzer bei weitem nicht genug.«
    »Mehr können wir im Moment nicht erübrigen«, sagte
    Gaffney. »Wenn Sie ihn nicht wollen, dann lassen Sie es eben bleiben.«

    »Ich nehme ihn«, sagte Dreyfus. »Vorausgesetzt, ich darf das Kommando anführen.«
    Schweigen trat ein. Dreyfus spürte, wie innerlich zerrissen die anderen Präfekten waren. Von ihnen hätte keiner auf diesem Schiff sein wollen, wenn es sich Haus Aubusson näherte.
    »Das wird gefährlich«, warnte Gaffney.
    »Ich weiß.«
    Baudry musterte Dreyfus mit wissendem Blick. »Und
    Haus Aubusson wird vermutlich Ihre erste Anlaufstelle?«
    Er zuckte nicht mit der Wimper. »Es ist das weichste Ziel und bietet für einen Angriff die besten Chancen.«
    »Und wenn Thalia Ng anderswo wäre?«
    »Ist sie aber nicht«, sagte Dreyfus.
    Das Glitzerband erlebte ein Ereignis, das vor elf Jahren zum letzten Mal und davor dreißig Jahre lang nicht stattgefunden hatte. Mit Ausnahme der vier bereits verlorenen Habitate erfasste es alle zehntausend, ohne Rücksicht auf ihren Status oder ihre gesellschaftliche Organisation. Wo Bürger in hohem Maße in die Abstraktion eingebunden waren wie
    im Solipsistenstaat Bezile, in Dreamhaven, im Karussell New Jakarta oder einem von hundert ähnlichen Habitaten, wurde die lokale Realität - wie barock, wie undurchdringlich und abstrus auch immer - durch eine außerplanmäßige Meldung aus den profanen Tiefen der Standardrealität rüde unterbrochen. In den vielen Staaten der demarchistischen Mitte spürte jeder Einzelne, wie eine neue Präsenz in
    seinen Geist eindrang und das nervöse Geplapper der
    ständigen Abstimmungen vorübergehend zurückdrängte.
    In gemäßigten Staaten mit weniger starker Abstraktionsab-hängigkeit piepsten entweder die Armbänder, oder es öffneten sich neue Fenster im Sichtfeld von optischen Implantaten, Linsen, Monokeln oder Brillen, die die Aufmerksamkeit der Träger verlangten. Wo extreme Biomodifikationen in

    Mode waren, wurden die Bewohner durch Veränderungen
    in der eigenen Physiologie oder der Physiologie der Um-
    stehenden gewarnt. Hautmuster gerieten in Bewegung, um
    Platz für zweidimensionale Video-Displays zu schaffen.
    Körperstrukturen formten sich um zu lebenden Skulptu-
    ren, die fähig waren, eine Nachricht zu übermitteln. In den Freiwilligen Tyranneien hielten die Menschen inne und schauten zu den Wänden der Gebäude auf, wo plötzlich anstelle des jeweiligen gewählten Tyrannen das Gesicht einer unbekannten Frau erschienen war.
    »Ich bin Generalpräfekt Baudry«, sagte die Frau. »Ich
    kündige im Namen von Panoplia unter Berufung auf die
    einschlägigen Vorschriften eine Notabstimmung an und
    versichere Ihnen, dass im Anschluss daran die norma-
    len Abstimmungen wieder aufgenommen werden.« Baudry
    hielt inne, räusperte sich und sprach langsam und mit dem feierlichen Ernst des geschulten Redners. »Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist es Panoplia-Agenten nach dem demokratischen Wunsch aller Völker des Glitzerbandes verwehrt, im Alltag andere Waffen zu tragen, als sie im Mandat der Organisation aufgeführt sind. Panoplia hat diese Entscheidung immer respektiert, auch dann, wenn sie die Sicherheit unserer eigenen Präfekten bedrohte. Allein in diesem Jahr starben elf Außendienstpräfekten in Ausübung ihres Dienstes, weil sie keine stärkere Waffe hatten als eine einfache autonome Peitsche. Sie alle hatten sich der Gefahr sehenden Auges gestellt, weil sie wussten, dass sie

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